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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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er sei vielleicht hier.«
    Der Mann wurde zugänglicher. »Ein Freund von Lucas, ach so. Nein. Den habe ich nicht gesehen. Aber am Wochenende waren sie hier, er und seine Neue. Die gärtnern mehr im Haus als draußen«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    Fabio ging rasch weiter. Er versuchte nicht an Norina und Lucas im Kajütenbett zu denken.
    Er erreic hte die Wegbiegung. Die Signalanzeige des Handys füllte sich mit kleinen Vierecken. Er stellte die Nummer der Redaktion ein, ließ es zweimal läuten und unterbrach die Verbindung.
    Manchmal muß man seinem ersten Impuls folgen. Aber manchmal tut man das besser nicht.
    Zwei Stunden später stieß Fabio auf den entscheidenden Hinweis.
    Er war für eine Fahrt in einem stickigen Tram zu aufgewühlt gewesen und hatte ein Taxi zu Marlens Wohnung genommen. Mehr, um sich abzulenken, als mit einem bestimmten Ziel blätterte er in seinen Aufzeichnungen, klickte er sich durch seine Datensicherung und spulte er sich durch die Tonkassetten, die er aus der Redaktion gerettet hatte.
    Eine davon war seltsam. Sie trug den Titel »Diverses« und war leer. Das heißt, sie war nicht besprochen, aber sie enthielt Geräusche. Die Geräusche eines leeren Raumes, dann Schritte, dann eine Tür, dann die Geräusche des Raumes. Wenn er die Lautstärke aufdrehte, war manchmal ein vorbeifahrendes Auto zu hören, wie durch ein geschlossenes Fenster. Fabio schaltete das Gerät auf Schnellgang. Die gleichen Geräusche, zwei Oktaven höher.
    Und dann, plötzlich, beinahe am Schluß der fünfundvierzig Minuten der A-Seite, eine Stimme.
    Fabio spulte zurück.
    Wieder die laute Stille des Raumes, dann, unvermittelt, eine Frauenstimme: »… einfach alles mit. Tun Sie damit, was Sie für richtig halten, aber tun Sie es in seinem Sinn. Ich kann mich doch darauf verlassen?«
    Die Stimme kannte er. Es war Jacqueline Barth. Und die Stimme, die antwortete: »Ich verspreche es Ihnen«, kannte er auch. Es war seine eigene.

11
    Jacqueline Barths Nummer war leicht zu finden. Der Speicher der eingegangenen Gespräche seines Handys enthielt nur eine einzige italienische Vorwahl.
    »Santa Caterina, buona sera«, meldete sich eine Frauenstimme. Fabio verlangte Frau Barth und wurde verbunden. Nach fünfmaligem Klingeln meldete sich wieder die Frau. La Signora Barth sei nicht im Zimmer. Sie versuche es auf der Terrasse.
    Fabio wartete.
    »Barth?« Im Hintergrund war Musik zu hören.
    »Fabio Rossi vom SONNTAG-MORGEN, entschuldigen Sie, daß ich Sie schon wieder störe.«
    Sie schwieg.
    »Hallo?«
    »Ich bin noch da, was wollen Sie?«
    »Ich habe eine seltsame Frage.« Wieder schwieg sie.
    »Was ich Ihnen über meine verlorene Agenda sagte, entsprach nicht ganz der Wahrheit. Ich hatte einen Unfall und habe ein Blackout von fünfzig Tagen. Ich kann mich an nichts erinnern. Auch nicht an unsere Begegnungen.«
    Die Musik hörte auf, ein dünner Applaus war zu hören.
    »Fahren Sie fort«, sagte Frau Barth.
    »Können Sie mir etwas über die Unterlagen sagen, die Sie mir bei meinem zweiten Besuch mitgaben? Ich kann nichts dazu finden.«
    Die Musik fing wieder an zu spielen. »Unterlagen?«
    »Unterlagen oder Dokumente. Auf dem Band von unserem Gespräch bitten Sie mich, sie im Sinne Ihres Mannes zu verwenden. Können Sie mir sagen, worum es sich handelte?«
    »Geht es nicht aus dem Band hervor?«
    »Es ist leider zum größten Teil gelöscht.«
    »Unterlagen«, murmelte sie. »Ach so, der Lebenslauf. Ich gab Ihnen den Lebenslauf meines Mannes mit. Ein paar biographische Angaben. Sie können sie behalten, ich habe Kopien.«
    »Sind Sie sicher? Es klang nach etwas Wichtigerem.«
    »Wichtiger als der Lebenslauf meines Mannes?«
    »Verzeihen Sie.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Nein. Doch: Das zweite Gespräch, worum ging es da?« Wieder ihr Schweigen und die Klänge des Hotelorchesters in Amalfi. »Um das gleiche wie beim ersten Mal«, antwortete sie schließlich.
    »Weshalb ein zweites Gespräch?«
    »Das hatte ich mich auch gefragt. - Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich jetzt gerne meine Ferien fortsetzen.«
    »Natürlich, vielen Dank, schöne Ferien noch.«
    »Danke. Und - tut mir leid, das mit Ihrem Unfall.«
    Fabio legte sein Handy vor sich auf den Schreibtisch. Der Balkonstore tauchte den Raum in orangefarbenes Licht. Fabio hatte ein Frottiertuch um den Hals gelegt, wie ein Boxer nach dem Training. Und wie ein solcher schwitzte er auch. Er nahm einen Schluck Eistee.
    Er war jetzt sicher, daß die große Sache mit Dr.

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