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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Barth zu tun hatte. Und mit den Unterlagen, die ihm dessen Witwe mitgegeben hatte.
    Draußen fing ein Hund an zu bellen. »Jaspers!« schrie eine Frauenstimme. Das Bellen verstummte.
    Fabio stellte Dr. Marks Durchwahl ein. Es war nach Büroschluß. Keine schlechte Zeit, um einen Manager zu erreichen, wie er aus Erfahrung wußte.
    Tatsächlich: Nach dem dritten Klingeln meldete sich eine Männerstimme. »Ja.«
    »Doktor Mark?«
    »Wer spricht?«
    »Ich bin froh, daß ich Sie endlich erreiche. Mein Name ist Rossi, vom SONNTAG-MORGEN. Ich hatte Sie interviewt.«
    Dr. Mark schien überrumpelt. Er sagte ein paar Augenblicke nichts.
    Fabio nutzte das Überraschungsmoment. »Ihr Sekretariat hat mir einen Termin in zwei Wochen gegeben. Das ist zu spät. Geht es nicht früher? Es ist dringend.«
    »Worum handelt es sich?«
    »Um ein paar Fragen, die bei der Arbeit noch aufgetaucht sind. Haben Sie morgen irgendwann eine halbe Stunde?«
    »Moment.« Fabio hörte, wie der Hörer abgelegt wurde. Der Hund fing wieder an zu bellen. Die Frau rief: »Jaspers!«
    Als Dr. Mark sich wieder meldete, klang er etwas selbstsicherer.
    »Ich habe hier meine Agenda vor mir. Mein Sekretariat hatte recht, ich sehe hier keinen früheren Termin.«
    »Ich könnte auch in einer Randstunde kommen. Oder außerhalb der Bürozeiten, ich bin flexibel. Wie sieht es zum Beispiel morgen aus?«
    Dr. Mark wehrte sich tapfer. Aber Fabio nötigte ihm einen Termin auf. Am nächsten Montag um achtzehn Uhr. In fünf Tagen.
    Marlen kam herein, ließ sich aufs Sofa fallen und streifte ihre Sandalen ab. »Daß du es hier aushältst«, war ihr erster Satz.
    »Wo soll ich sonst hin?«
    Marlen antwortete nicht. »Was war das?« Sie zeigte auf sein leeres Glas.
    »Eistee.«
    »Bringst du mir auch einen?«
    Bin ich hier jetzt der arbeitslose Hausmann?, wollte Fabio fragen. Aber dann stand er wortlos auf und brachte ihr ein Glas.
    Marlen trank es in einem Zug leer und hielt es ihm wieder hin.
    »Wann hast du im Sinn, wieder unter die Leute zu gehen?«
    »Ich bin ständig unter Leuten.«
    »Aber nie mit mir. Früher sind wir immer ausgegangen.«
    Fabio zuckte die Schultern. Was wußte er, was sie früher taten.
    »Vielleicht solltest du wieder ein normales Leben führen. Vielleicht kommt dann die Erinnerung zurück.«
    Fabio nahm ihr das Glas ab und füllte es wieder. Als er es ihr brachte, lächelte sie. »Danke. Ich bin etwas kaputt. Die Hitze, der Job, die halbe Abteilung in den Ferien - tut mir leid.«
    Sie trank einen Schluck. »Wir führen ein Leben wie ein spießiges Ehepaar«, stellte sie fest.
    Wir wohnen auch wie ein spießiges Ehepaar, wollte Fabio sagen. Er sagte: »Morgen. Morgen abend gehen wir aus. Okay?«
    »Okay«, antwortete Marlen. Sie streckte die Hand aus und zog ihn aufs Sofa. »Steht dir gut, das Frottiertuch.« Sie küßte ihn.
    Er sah ihr nach, als sie ins Badezimmer ging. Auf Zehenspitzen. Jemand mußte ihr gesagt haben, daß nackte Frauen auf Zehenspitzen gehen sollten, weil es der Figur schmeichle. Das tat es auch. Und es ging Fabio auf die Nerven.
    Marlen ging ihm auf die Nerven. Seit sie die Wohnung betreten hatte. Jeder Satz, jede Geste war ihm auf den Wecker gefallen. Und er hatte sich nichts anmerken lassen. Wie ein spießiger Ehemann in einer spießigen Zweizimmerwohnung hatte er den Mund gehalten, damit ihn ja kein Streit um seine Feierabendnummer brachte.
    Als Marlen aus dem Bad kam, war sie abgeschminkt, eingecremt und trug ein übergroßes T-Shirt mit Garfield, dem Kater, auf dem Rücken. Sie öffnete den Kühlschrank und nahm ein paar Sachen heraus. »Und du? Wie war dein Tag?«
    Wie war dein Tag, Schatz? »Ich habe Doktor Mark erreicht und einen früheren Termin bekommen. Montag um sechs.«
    Marlen wandte sich um und schaute Fabio an. Sie schien irritiert. »Du hast ihn auf seiner Durchwahl erreicht?«
    »Nach Büroschluß. Alter Trick.«
    »Erzähl ja niemandem, daß ich dir die Nummer gegeben habe. Wir dürfen Journalisten keine Durchwahl geben.« Marlen war verärgert. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber es gelang ihr nicht.
    Sie aßen die Reste, die der Kühlschrank hergab, und verbrachten einen wortkargen Abend vor dem Fernseher.
    Weiterhin heiß, keine Aussicht auf Regen, meldete die Wetterfee.
    Schlecht gelaunt kam Fabio ins Tai Chi und wäre am liebsten wieder umgekehrt, als er Horst Webers Einleitung hörte: »Vor Beginn der Tai-Chi-Übung soll eine ruhige, harmonische Gefühlsstimmung angestrebt und

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