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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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antwortete Fabio.
    »Ciao«, brummte Anselmo. Er klang enttäuscht wie ein kleiner Junge, mit dem niemand spielen will.
    Fabio verließ den Balkon. Weshalb rief er nicht einfach Jacqueline Barth an und fragte sie?
    Er stellte ihre Nummer ein. Lange meldete sich niemand. Vielleicht war sie ausgezogen. Sie hatte ja gesagt, sie könne sich das Haus nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr leisten.
    Gerade als er auflegen wollte, meldete sich eine Frauenstimme. »Ja?«
    »Frau Doktor Barth?«
    »Nein«, sagte eine Stimme mit slawischem Akzent, »ich bin die Haushaltshilfe. Frau Doktor Barth ist in den Ferien.«
    »Bis wann?«
    »Bis Ende des Monats.«
    »Kann man sie erreichen?«
    »Sie ist in Italien. Sie ruft manchmal an. Sie können ihr eine Nachricht hinterlassen.«
    »Sagen Sie ihr, ich hätte angerufen, Fabio Rossi vom SONNTAG-MORGEN. Sie soll mich bitte zurückrufen, ich hätte eine wichtige Frage.« Er gab ihr die Nummer von Marlens Wohnung und die von seinem Handy.
    Es war schon dunkel, als Marlen kam. Sie war aufgekratzt und roch nach den Getränken, die ihre Pressearbeit begleitet hatten. Sie küßte ihn, ließ eine Hand in seine Boxershorts gleiten und setzte Fabios Vorsatz, Distanz zu wahren, außer Kraft.
    »Tai Chi ist eine Methode, das innere und äußere Gleichgewicht wiederzuerlangen und zu sich selbst und zur inneren Zentrierung zurückzufinden.« Fabio stand mit den anderen Mitgliedern des Anfängerkurses im Halbkreis um den Tai Chi-Lehrer und hörte sich dessen einführende Worte an.
    »Tai Chi reguliert aber auch den Stoffwechsel, stabilisiert das Herz-Kreislauf-System, senkt den Blutdruck, erweitert die Herzkranzgefäße, hilft gegen vegetative Störungen, beseitigt Schlafstörungen und reguliert die Funktionsaktivitäten des Zentralnervensystems.«
    Fabios Mitschüler waren alle in einem Alter, in welchem man an jeder einzelnen dieser Wirkungen persönlich interessiert ist. Er selbst versprach sich mehr vom inneren und äußeren Gleichgewicht.
    »Der sichere Stand und das stabile Gleichgewicht fördern die innere Stabilität und das Gefühl, mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen«, fuhr der Lehrer fort. Weiß Gott, das konnte Fabio brauchen.
    Der Mann war Mitte Fünfzig. Seine Augendeckel, Backen, Lippen, Mundwinkel und Ohrläppchen strebten nach unten. Vielleicht eine Berufskrankheit, die Folge permanenter Entspannung. Er hieß Horst Weber. Fabio merkte sich den Namen mit Hilfe der »Jadeprinzessin am Webstuhl«. So hieß eines der Tai Chi-Bilder, das sie gegen Schluß des Grundkurses darstellen würden.
    Als sie endlich damit begannen, die ersten der dreizehn Hauptbewegungsbilder zu üben, erwies sich Fabio, was die ruhigen, weichen, fließenden Bewegungen betraf, rasch als Klassenbester. In Sachen Gleichgewicht hingegen war er das Schlußlicht.
    Kurz vor Mittag hatte Fabio einen Termin in der Uniklinik. Er wählte den Eingang durch die Grünanlage und die Cafeteria. Sie war bis auf den letzten Platz besetzt. Geschirrgeklapper und gedämpfte Stimmen, der vertraute Geruch nach Krankenhaus und Milchkaffee. Ein paar der Patienten kannte er. Einem Mann mit einem Pflaster auf dem zur Hälfte kahlrasierten Schädel nickte er zu. Er grüßte nicht zurück. Vielleicht erkannte er Fabio nicht ohne Bademantel. Oder er konnte sich nicht an ihn erinnern.
    Eine Schwester führte ihn ins Wartezimmer der Neurologie. Kaum hatte er sich gesetzt und die beiden anderen Wartenden, ein älteres Ehepaar, gegrüßt, klingelte sein Handy. Die Frau warf ihm einen indignierten Blick zu.
    Fabio stand auf, stellte sich mit dem Rücken zum Raum ans offene Fenster und meldete sich. Eine fremde Frauenstimme antwortete. »Barth, man sagte mir, Sie hätten noch eine Frage. Ich dachte, die Sache sei erledigt.« Es klang beunruhigt.
    Fabio brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, mit wem er sprach. »Danke für den Rückruf, Frau Doktor. Doch, die Sache ist erledigt, meine Frage ist privater Natur: Ich habe meine Agenda verloren und bin dabei, meine Termine zu rekonstruieren. Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich erinnern, wann unser Gespräch stattfand.«
    »Und deshalb muß ich Sie aus den Ferien anrufen?« Der Vorwurf geriet ihr eine Spur zu erleichtert.
    »Verzeihen Sie. Die Buchhaltung liegt mir mit der Spesenabrechnung in den Ohren.«
    »Moment, bleiben Sie dran.« Sie ließ ihn warten, bis sie ihre Agenda geholt hatte. Dann fragte sie: »Das erste oder das zweite Gespräch?«
    »Beide«, antwortete Fabio nur.
    »Mittwoch,

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