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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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möchtest.«
    Sie nimmt einen blitzsauberen Aschenbecher – Muranoglas, violettblau mit silbrigen Punkten – von der unteren Glasplatte des Tisches und reicht ihn Mario. Er zündet sich eine Zigarette an. Diesen Aschenbecher dreckig zu machen kommt ihm wie eine Entweihung vor.
    »Sie rauchen nicht?«, fragt sie Manolo.
    »Nein, danke«, erwidert der Sargento lächelnd.
    »Ich kanns kaum glauben, Tamara«, sagt Mario und lächelt ebenfalls. »Fünfzehn Jahre war ich nicht mehr in diesem Haus, und alles ist noch wie früher. Weißt du noch, wie ich die Vase zerdeppert habe? Aus Porzellan, glaub ich, stimmts?«
    »Keramik aus Sargadelos.« Sie lehnt sich zurück und versucht die Strähne zu bändigen, die ihre Stirn verdeckt. Auch dich bringen die Erinnerungen um, meine Liebe, denkt er. Er würde sich gerne so fühlen, wie er sich damals gefühlt hat, als sie mit der ganzen Clique in dieses Hollywood-Haus kamen, unter dem Vorwand, in der Bibliothek gemeinsam zu lernen. Immer gab es Coca-Cola, häufig sogar Süßigkeiten, außerdem eine Klimaanlage in der Bibliothek und natürlich ihre gemeinsamen Träume. Irgendwann würden sie auch so ein Haus haben, der Dünne, der Hasenzahn, Cuqui, Dulcita, El Conde, sie alle, wenn wir erst mal Ärzte sind, Ingenieure, Geschichtsprofessoren, Wirtschaftswissenschaftler, Schriftsteller, das, was sie werden wollten, aber nicht alle wurden. Die Erinnerungen machen ihn fertig, und deswegen sagt er:
    »Ich habe die Aussage gelesen, die du auf dem Revier gemacht hast. Fällt dir noch mehr dazu ein?«
    »Mehr weiß ich nicht, es war so, wie ich gesagt habe«, versichert sie, nachdem sie eine Weile nachgedacht hat. Sie schlägt die Beine übereinander, verschränkt die Arme. Noch immer so geschmeidig wie früher, stellt er fest. »Wir sind von der Party nach Hause gekommen, ich bin als Erste zu Bett gegangen und war schon halb eingeschlafen, als Rafael sich neben mich gelegt hat. Ich hab ihn noch gefragt, ob ihm schlecht ist. Er hatte viel getrunken. Als ich wach wurde, keine Spur von Rafael. Bis zum Nachmittag hab ich mir keine großen Sorgen gemacht. Er geht häufig weg, ohne zu sagen wohin. Aber an dem Tag musste er nicht in die Firma.«
    »Wo fand noch mal die Party statt?«
    »Beim Vizeminister, der für Rafaels Firma zuständig ist. In Miramar, in der Nähe des Diplomatenladens Ecke 5. und 42. Straße.«
    »Wer war sonst noch da?«
    »Tja, lass mich nachdenken«, bittet sie und beschäftigt sich wieder mit der lästigen Haarsträhne. »Die Gastgeber natürlich, Alberto und seine Frau. Er heißt Alberto Fernández«, fügt sie hinzu, als Mario Conde ein kleines Notizbuch aus der hinteren Hosentasche zieht. »Hast du immer noch ein Notizbuch in der Gesäßtasche?«
    »Die alte Schwäche«, sagt er kopfschüttelnd, denn er hat nicht gedacht, dass irgendjemand, nicht mal er selbst, sich an diese alte Gewohnheit erinnert. An wie viele Dinge werd ich wohl noch erinnert werden, fragt er sich. Tamara lächelt, und er muss wieder daran denken, wie schwer die Erinnerungen wiegen und dass er vielleicht besser nicht hier sein sollte. Wenn er dem Mayor etwas gesagt hätte, hätte der ihn möglicherweise durch einen Kollegen ersetzt. Das Beste wäre es, so glaubt er, den Alten zu bitten, ihn von dem Fall zu entbinden. Nein, er sollte nicht nach einem Mann suchen, den er am liebsten nicht finden würde, und sich nicht mit der Frau dieses Mannes unterhalten, der Frau, die in ihm alte Sehnsüchte und Begierden weckt. Laut aber sagt er: »Ich bin noch nie gerne mit einem Köfferchen rumgelaufen.«
    »Erinnerst du dich noch daran, wie du dich einmal auf dem Schulhof mit Isidrito geprügelt hast, dem aus Managua?«
    »Mir tut noch jetzt alles weh. Wie der zugeschlagen hat, der Idiot!« Er grinst zu Manolo hinüber, der seine Rolle als unbeteiligter Zuhörer perfekt spielt.
    »Und warum habt ihr euch geprügelt, Mario?«
    »Stell dir vor, zuerst haben wir über Baseball diskutiert, wer besser war, Andrés, Biajaca und die Leute aus meinem Viertel oder die aus Managua. Dann bin ich wütend geworden und hab gesagt, außerhalb meines Viertels würden nur Arschlöcher geboren. Klar, da hat der Blödmann rot gesehen.«
    »Wenn Carlos nicht dazwischengegangen wäre, Mario, ich glaub, Isidrito hätte dich umgebracht.«
    »Dann wär der Kripo ein guter Polizist verloren gegangen.« Er lächelt und steckt sein Notizbuch wieder ein. »Pass auf, Tamara, am besten wird es sein, du schreibst mir die Namen der Gäste

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