Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
Vom Netzwerk:
versteht er was davon. Kannst du dir Rafael als Geschäftsmann vorstellen?«
    Er kann ihn sich nicht als Geschäftsmann vorstellen. Sein Blick wandert zu der Musikanlage, die in einer Ecke des Salons steht: Tuner, Plattenspieler, doppeltes Kassettendeck, CD-Player, Equalizer, Verstärker und zwei Lautsprecherboxen mit Schallverstärker und weiß Gott wie hoher Ausgangsleistung. Die Musik, die da rauskommt, ist wirklich Musik, denkt er.
    »Nein, ich kann ihn mir nicht vorstellen«, sagt er. »Und woher stammt die Musikanlage da?«, fragt er. »Die kostet mehr als tausend Dollar … «
    Sie sieht wieder zu Manolo hinüber. Dann mustert sie ihren früheren Schulkameraden und fragt: »Was ist los mit dir, Mario? Was sollen diese Sticheleien? Du weißt doch, dass niemand für nichts und wieder nichts wie ein Irrer schuftet. Alle wollen vorankommen und … Wer sich ein Filet leisten kann, isst nicht Reis mit Spiegeleiern.«
    »Ja, wem Gott gegeben … «
    »Was stört dich eigentlich, Mario?«
    Er tastet nach dem Kugelschreiber, lässt ihn aber dort, wo er ist. »Nichts, gar nichts. Vergiss es, ja?«
    »Nein, ich vergesse es nicht. Angenommen, du müsstest beruflich ins Ausland reisen, würdest du dann nicht reisen und deiner Frau und deinem Sohn was mitbringen?«, fragt sie und sieht dabei Zustimmung heischend Manolo an. Der Sargento, der noch immer die Kaffeetasse in der Hand hält, hebt nur leicht die Schultern.
    »Das trifft in doppelter Hinsicht nicht auf mich zu: Weder reise ich ins Ausland noch habe ich Frau und Kind.«
    »Aber du bist neidisch, stimmts?«, sagt sie versöhnlich, und ihre Augen wandern wieder zu dem Farn draußen.
    Er weiß, dass er Tamara an einer empfindlichen Stelle getroffen hat. Jahrelang hatte sie versucht, so wie alle andern zu sein; aber sie konnte ihre Herkunft nicht verleugnen, und letzten Endes war sie eben doch anders: Nie benutzte sie billiges Parfum wie die anderen, sie hatte eine Allergie und vertrug nur bestimmte Lavendelparfums für Herren; die Kleider, die sie auf den Samstagpartys trug, sahen von weitem aus wie die ihrer Freundinnen, waren aber aus indischer Seide; sie wusste in der Öffentlichkeit mit Anstand zu husten, zu niesen oder zu gähnen; und nur sie verstand auf Anhieb die Texte von Led Zeppelin oder Rare Earth.
    Mario stellt den Aschenbecher neben sich aufs Sofa und nimmt eine weitere Zigarette aus der Schachtel. Es ist die Letzte, und wie immer entsetzt es ihn, wie viel er geraucht hat. Doch er sagt sich, nein, ich bin nicht die Spur neidisch. Er zündet sich die Zigarette an. »Vielleicht«, räumt er trotzdem ein, da er merkt, dass er nicht die Kraft hat, mit ihr zu diskutieren. »Aber darum beneide ich Rafael am wenigsten, das kannst du mir glauben.« Er lächelt und sieht Manolo an. »Der Heilige Petrus möge diese seine Dinge segnen.«
    Sie hat die Augen geschlossen, und er fragt sich, ob sie begriffen hat, worauf sich sein Neid richtet. Sie rückt näher an ihn heran und ergreift seine Hand, sodass er ihren Duft noch besser wahrnehmen kann. »Entschuldige, Mario«, sagt sie, »aber ich bin einfach übernervös. Das ist ja ganz natürlich bei dieser Aufregung«, fügt sie hinzu und lässt sein Hand wieder los. »Ich soll dir also eine Liste aller Gäste erstellen?«
    »Genossin«, mischt sich nun Sargento Palacios ein. Er hebt die Hand, so als säße er im Klassenzimmer und melde sich. Den Teniente wagt er dabei nicht anzusehen. »Ich weiß, wie Ihnen zu Mute ist, aber Sie müssen uns helfen.«
    »Ich dachte, das tue ich, oder?«
    »Natürlich, natürlich. Aber ich kenne Ihren Mann nicht … Vor dem Ersten, kam er Ihnen da sonderbar vor, benahm er sich irgendwie anders?«
    Sie fasst sich an den Hals und streichelt ihn zärtlich, so als hätte sie ihn furchtbar gern. »Rafael ist überhaupt etwas sonderbar. Das ist sein Charakter. Unberechenbar, wegen jeder Kleinigkeit gerät er in Panik. Wenn mir an ihm etwas aufgefallen ist, dann dass er am Dreißigsten gereizt war. Mir hat er gesagt, er sei müde wegen der ganzen Jahresabschlüsse, aber am Einunddreißigsten war er wie umgewandelt. Ich glaube, er hat sich auf der Party bestens amüsiert. Wegen seiner Arbeit hat er sich aber immer Sorgen gemacht, sein ganzes Leben lang.«
    »Und er hat nichts gesagt, nichts getan, was Sie stutzig gemacht hat?«, fragt Manolo weiter, ohne den Teniente anzusehen.
    »Nein, soweit ich weiß, nein. Außerdem hat er am Einunddreißigsten bei seiner Mutter zu Mittag gegessen und dort

Weitere Kostenlose Bücher