Ein perfektes Leben
auf, was sie arbeiten und wie man sie erreichen kann, soweit du dich erinnerst. Waren außer dem Vizeminister noch andere wichtige Leute da?«
»Na ja, der Minister, aber der ist schon früh wieder gegangen, so um elf. Musste noch auf ’ne andere Party.«
»Und? Hat er mit Rafael gesprochen?«
»Sie haben sich begrüßt und so, aber geredet haben sie nicht viel miteinander. Unter vier Augen, meine ich.«
»Gut. Hat Rafael sonst mit jemandem unter vier Augen gesprochen?«
Sie überlegt, schließt halb die Augen. Er wendet den Blick ab und spielt mit der Zigarettenasche. Schließlich drückt er die Kippe aus. Jetzt weiß er nicht, wohin mit dem Aschenbecher. Er befürchtet schon, wieder mit der Geschichte von der Vase aus Sargadelos-Keramik anzufangen. Aber er kann es nicht vermeiden, Tamaras Duft wahrzunehmen. Sie riecht nach Seife und frischer Wäsche und teurem Lavendelparfum und feuchter Erde. Und vor allem nach Frau.
»Mit Maciques, glaube ich«, sagt sie, »seinem Büroleiter. Die beiden tun nichts anderes, reden ständig über ihre Arbeit. Und auf Partys muss ich die Frau von Maciques ertragen. Wenn du sie sehen würdest, o Gott! Steif wie ’ne Fahnenstange … Also, du müsstest sie mal reden hören! Erst neulich hat sie entdeckt, dass Baumwolle besser ist als Polyester, und jetzt schwärmt sie plötzlich für Seide.«
»Ich kann mir die Frau vorstellen … Und mit wem hat er sonst noch gesprochen?«
»Na ja, Rafael war eine ganze Weile draußen auf dem Balkon, und als er wieder reinkam, war Dapena gerade eingetroffen, ein Spanier, der alle naselang in Kuba ist, um Geschäfte zu machen.«
»Moment«, sagt er und holt wieder sein Notizbuch hervor. »Ein Spanier?«
»Aus Galicien, ja. José Manuel Dapena mit vollem Namen.
Macht Geschäfte mit Rafaels Unternehmen, vor allem aber mit dem Ministerium für Außenhandel.«
»Und sie haben miteinander gesprochen, sagst du?«
»Jedenfalls hab ich sie später vom Balkon hereinkommen sehen. Ob noch andere Leute dabei waren, weiß ich nicht.«
»Tamara«, sagt er und fängt an, mit dem Kugelschreiber zu klicken, ein monotones Klick-klack. »Wie sind diese Partys?«
»Was für Partys?« Sie wundert sich, scheint nicht zu verstehen.
»Die Partys, auf die ihr geht, mit Ministern und Vizeministern und ausländischen Geschäftsleuten, wie sind die?«
»Ich verstehe nicht, was du meinst, Mario. Wie alle anderen Partys. Es wird geredet, getanzt, getrunken. Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst. Hör bitte auf, mit dem Kugelschreiber zu klicken«, sagt sie plötzlich, und er weiß, dass sie gereizt ist.
»Und niemand betrinkt sich oder wird ausfällig oder pinkelt vom Balkon in den Garten?«
»Ich hab keine Lust auf solche Spielchen, Mario, wirklich nicht.« Sie drückt mit Daumen und Zeigefinger auf ihre Augenlider, wirkt aber nicht müde. Danach glänzen ihre Augen noch stärker.
»Entschuldige«, sagt er und steckt den Kugelschreiber in die Hemdtasche zurück. »Erzähl mir was über Rafael.«
Bei dieser Aufforderung holt sie tief Luft. Sie begleitet ihre Gedanken, die nur sie selbst kennt, mit einem Kopfschütteln und sieht zu dem langen Fenster hin, das auf den Innenhof führt. Sie ist theatralisch, denkt er. Er folgt ihrem Blick und erkennt hinter der getönten Scheibe undeutlich die ungesunde, bräunlich-schwarze Farbe des dort wuchernden Farns.
»Mir wäre ein Kollege von dir lieber gewesen, weißt du das? Bei dir … Ich weiß nicht, es kostet mich Überwindung.«
»Mich auch. Und außerdem, wenn dein Mann nicht verschwunden wäre, würde ich zu Hause sitzen und lesen und bis Montag nicht arbeiten. Wichtig ist jetzt, dass Rafael schnellstens wieder auftaucht. Und du solltest mir dabei helfen, findest du nicht?«
Sie macht Anstalten, sich vom Sofa zu erheben, bleibt dann aber sitzen. Ihr Mund ist nun eine gerade Linie. Der Mund einer Frau, die nicht einverstanden ist. Als sie zu Sargento Palacios hinüberschaut, wird ihr Ausdruck milder.
»Was kann ich dir über Rafael erzählen? Du kennst ihn ja … Er lebt nur für seine Arbeit. Nicht umsonst hat er es auf diesen Posten geschafft. Und das Beste daran ist, es macht ihm Spaß, wie ein Tier zu arbeiten. Ich glaube, er ist ein guter Manager, wirklich, alle sagen das. Für alles ist er zuständig, und alles, was er macht, macht er gut. Er selbst nennt sich einen Erfolgsmenschen. Ständig reist er ins Ausland, vorwiegend nach Spanien und Panama, schließt Verträge ab, kauft ein. Anscheinend
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