Ein perfektes Leben
fast den ganzen Tag verbracht.«
»Entschuldige, Manolo«, unterbricht El Conde die Befragung, da er beobachtet, wie der Sargento sich die Hände reibt und so langsam in Fahrt kommt. Er kann noch eine Stunde so weiterfragen. »Tamara, ich möchte, dass du darüber nachdenkst, was er an den Tagen vor seinem Verschwinden gemacht hat, das irgendwie damit in Zusammenhang stehen könnte. Alles ist von Bedeutung. Etwas, das er sonst nicht gesagt oder getan hat. Ob er mit jemandem gesprochen hat, den du nicht kanntest, was weiß ich … Und schreib die Namen der Gäste auf, auch das ist wichtig. Wolltest du heute noch irgendwohin?«
»Nein, warum?«
»Nur so, um zu wissen, wo man dich erreichen kann. Sobald ich in der Zentrale mit der Arbeit fertig bin, kann ich hier vorbeikommen und die Liste abholen. Dann unterhalten wir uns weiter. Das ist kein Problem, es liegt auf meinem Weg.«
»Gut, ich warte auf dich und fertige die Liste an, keine Sorge«, erwidert sie, wobei sie erneut mit der aufsässigen Strähne kämpft.
»Hier«, sagt er und reißt ein Blatt aus seinem Notizbuch, »wenn was ist, erreichst du mich unter dieser Nummer.«
»Gut, natürlich.« Sie nimmt den Zettel. Ihr Lächeln ist wie ein Geschenk. »Hör mal, Mario, vorne lichtet sich dein Haar. Du wirst mir doch wohl keine Glatze kriegen, was?«
Lächelnd steht er auf und geht zur Tür, öffnet sie und lässt Manolo vorgehen. Jetzt steht er Tamara gegenüber und schaut ihr in die Augen.
»Na gut, dann krieg ich eben eine Glatze«, sagt er und fügt hinzu: »Ich möchte dich nicht verletzen, Tamara. Aber ich muss meine Arbeit tun, das verstehst du doch, ja?«
»Das verstehe ich, Mario.«
»Dann sag mir eins: Wer außer dir hätte einen Nutzen von Rafaels Tod?«
Sie ist überrascht, lächelt jedoch sogleich wieder. Für einen Moment vergisst sie die unbesiegbare Haarsträhne und sagt: »Was für eine Analyse soll das denn werden, Mario? Einen Nutzen, ich …? Die Musikanlage und der Lada, der da draußen steht?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, sagt er und hebt zum Abschied die Hand. »Alles, was ich sage, ist verkehrt.« Damit verlässt er dieses Haus, das er in den letzten fünfzehn Jahren nicht betreten hat, und ihm ist klar, dass er verletzt ist. Er will nicht sehen, wie sie in der Tür steht und ihm zuwinkt. Er geht durch den Vorgarten und überquert die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten.
»Beim Gehen wird einem wärmer«, bemerkt er, als er sich ins Auto setzt. Und dann kann er es sich doch nicht verkneifen, zum Haus zurückzublicken. In der Tür, neben einem abstoßend hässlichen Betonstrauch, steht die Frau und sieht ihm hinterher.
»Das ist ein heißes Eisen«, bemerkt der Sargento.
»Was erzählst du da?«
»Pass bloß auf, Conde, pass bloß auf!«
»Was willst du damit sagen, Manolo? Willst du mit mir schimpfen?«
»Ich, mit dir schimpfen? Nein, Conde, du bist alt genug und schon lange genug Polizist, um zu wissen, was richtig für dich ist und was nicht. Ich jedenfalls traue ihr nicht über den Weg.«
»Und was stört dich an ihr? Sags schon!«
»Ich weiß nicht, Mann, ich weiß nicht so recht, was ich von ihr halten soll. Zu vornehm für meinen Geschmack. Auch für deinen übrigens … Aber vornehm oder nicht, versetz dich mal an ihre Stelle. Der Mann verschwindet, vielleicht ist er tot oder in weiß Gott was verwickelt … «
»Ja und?«
»Findest du nicht, dass sie ein bisschen … na ja, nach dem Motto: Was geht mich das an?«
»Und das bedeutet, dass sie irgendwas damit zu tun hat?«
»Also, verdammt noch mal, wenn der Esel ›nein‹ sagt, dann … «
»Aber wie soll ich dich denn verstehen, Junge, wenn du dich nicht klar ausdrückst?«
»Klar, ja? Ich soll mich klar ausdrücken? Hör mal, Conde, man muss dich doch nur ansehen, dann merkt man, dass du in die Frau verknallt bist. Und wenn man sie ansieht, dann wird einem sofort klar, dass sie es weiß. Schön, das wäre ja kein Problem, wenn da der Ehemann nicht im Weg stehen würde, ja? Wie schon gesagt, irgendwas ist da faul.«
»Meinst du, sie könnte was wissen?«
»Möglich … Keine Ahnung, aber pass auf, Kollege. Alles klar?«
Er sagte »Alles klar, Sargento« und streckte den Arm aus. »Fahr ran, fahr ganz nah ran und bleib stehen«, forderte er Manolo auf und zeigte auf den parkenden Streifenwagen und die beiden Polizisten, die gerade einen Mann festnahmen. Durchs offene Fenster hielt er den Beamten seinen Ausweis hin. »Was ist los?«, fragte
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