Ein plötzlicher Todesfall
Krystal wirklich war und was sie in ihrem Leben erreicht hatte, so wie der Onkel von Siobhan und Niamh es für Mr Fairbrother getan hatte, doch bis auf den kurzen Hinweis des Pfarrers auf »ein tragisch kurzes Leben« und »eine ortsansässige, tief in Pagford verwurzelte Familie« war er offenbar entschlossen, nicht weiter ins Detail zu gehen.
Deshalb konzentrierte Sukhvinder ihre Gedanken auf den Tag, an dem ihre Mannschaft am Endlauf der regionalen Wettkämpfe teilgenommen hatte. Mr Fairbrother hatte sie im Minivan hingebracht, um gegen die Mädchen von St. Anne anzutreten. Der Kanal führte direkt durch das Gelände der Privatschule, und es war entschieden worden, dass das Rennen dort beginnen sollte. Also mussten sie sich in der Turnhalle von St. Anne umziehen.
»Klar ist das unsportlich«, hatte Mr Fairbrother ihnen unterwegs gesagt. »Heimvorteil. Ich habe versucht, es zu ändern, aber sie wollten nicht. Lasst euch bloà nicht einschüchtern, ja?«
»Ich werde ân Scheiàâ¦Â«
»Krys!«
»Ich hab keine Angst.«
Aber als sie auf das Schulgelände einbogen, hatte Sukhvinder Angst gehabt. Grüne, sanft abfallende Rasenflächen und ein beeindruckendes Gebäude aus gelbem Stein mit Türmen und hundert Fenstern: So etwas hatte sie noch nie gesehen, nur auf Postkarten.
»Das ist ja wie der Buckingham Palace!«, kreischte Lauren von hinten, und Krystal hatte mit den Lippen ein rundes »O« geformt. Sie war manchmal ungekünstelt wie ein kleines Kind.
Ihre Eltern und Krystals UrgroÃmutter warteten alle an der Ziellinie, wo immer die war. Sukhvinder war sich sicher, dass sie nicht die Einzige war, die sich klein, verzagt und unterlegen fühlte, als sie sich dem Eingang des herrlichen Gebäudes näherten.
Eine Frau, gekleidet in den Schultalar, kam herausgelaufen, um Mr Fairbrother in seinem Trainingsanzug zu begrüÃen.
»Sie müssen Winterdown sein!«
»Ist er nicht, sieht er vielleicht aus wie ân scheià Gebäude?«, lieà sich Krystal lautstark vernehmen.
Sie waren sich sicher, dass die Lehrerin von St. Anne es gehört hatte, und Mr Fairbrother drehte sich um und versuchte, Krystal einen finsteren Blick zuzuwerfen, aber sie sahen ihm an, dass er es eigentlich lustig fand. Die ganze Mannschaft fing an zu kichern, und sie schnaubten und gackerten noch, als Mr Fairbrother sich vor den Umkleideräumen von ihnen verabschiedete.
»Kopf hoch!«, rief er ihnen nach.
Drinnen war die Mannschaft von St. Anne mit ihrer Trainerin. Die beiden Gruppen schauten sich über die Bänke hinweg an. Sukhvinder war beeindruckt von den Frisuren der anderen Mannschaft. Alle trugen das glänzende Haar lang und natürlich: Sie hätten in einer Shampoo-Werbung auftreten können. In ihrer Mannschaft hatten Siobhan und Niamh einen Bubikopf, Lauren trug die Haare kurz, Krystal hatte ihre immer zu einem festen, hohen Pferdeschwanz zusammengebunden, und Sukhvinders Haare waren dicht und widerspenstig wie eine Pferdemähne.
Sie glaubte zwei Mädchen aus der anderen Mannschaft hämisch grinsend miteinander tuscheln zu sehen, und wurde bestärkt, als Krystal sich plötzlich vor ihnen aufbaute und sagte: »Eure ScheiÃe riecht wahrscheinlich nach Rosen, wie?«
» Wie bitte?«, fragte ihre Trainerin.
»Frag ja bloë, sagte Krystal süÃlich, drehte ihnen den Rücken zu und zog ihre Trainingshose runter.
Da der Drang zu kichern unwiderstehlich gewesen war, hatte die Winterdown-Mannschaft sich beim Umziehen ausgeschüttet vor Lachen. Krystal gab auch weiterhin den Clown, und als die Mannschaft von St. Anne nacheinander den Raum verlieÃ, zeigte sie ihnen den nackten Hintern.
»Charmant«, sagte das letzte Mädchen, das hinausging.
»Vielen Dank auch«, rief Krystal hinter ihr her. »Ich lass dich später noch mal gucken, wenn du willst. Ich weiÃ, ihr seid alle Lesben«, brüllte sie, »hier eingesperrt ohne Jungs!«
Holly hatte so gelacht, dass sie sich dabei den Kopf am Spind angestoÃen hatte.
»Pass bloà auf, Hol«, hatte Krystal gesagt, hocherfreut, welchen Erfolg sie bei ihnen allen hatte. »Den brauchst du noch.«
Als sie zum Kanal hinunterliefen, war Sukhvinder klar, warum Mr Fairbrother den Austragungsort hatte verlegen wollen. AuÃer ihm war niemand hier am Start, der sie anfeuerte, wohingegen die Mannschaft von St.
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