Ein Pony auf großer Wanderung
Reisig verborgen waren, um seine Hufe wickelte und mit einem kräftigen Tritt zerriß , merkte er im Eifer seiner Tätigkeit nicht.
„Das gibt’s doch nicht!“ knurrte der Obergefreite Becker. „Eben noch war die Verständigung gut, und jetzt ist alles tot! Sabotage! Geben Sie mir das Funkgerät! Nilpferd, hier Spitzmaus, bitte kommen!“
„Hier Nilpferd. Kommen!“
Zottel spitzte die Ohren. Und da er neugierig war, unterbrach er seine Mahlzeit — nicht ohne zur Sicherheit den am prallsten gefüllten Beutel mit den Zähnen zu packen und mitgehen zu lassen — und stattete dem Unterstand einen Besuch ab. Gerade als Obergefreiter Becker per Funk seinen Verdacht auf Sabotage weitergab, rauschte es über ihm in der künstlichen Blätterwand und ein — wie ihm im Halbdunkel schien — riesiger Kopf, von einem Geweih aus Zweigen gekrönt, mit glühenden Augen und einem überdimensionalen Maul, kam drohend auf ihn zu.
Obergefreiter Becker hatte — wie seine Kameraden — fünf Tage kaum geschlafen, seine Nerven waren gespannt. Noch dazu war er ein Großstadtkind, sein Bedarf an Natur war mit gelegentlichen Besuchen des Zoos gedeckt. Er wußte selbst nicht, wofür er diese Erscheinung halten sollte, nur eines war ihm klar: daß es sich um ein wildes Tier handeln müsse, und daß dieses Tier vielleicht sogar tollwütig war, wenn es harmlose Menschen überfiel. Konnte es ein Elch sein? Gab es die hier?
Den anderen vier Männern ging es nicht viel besser. Im Unterstand war es dunkel, die einzige schwache Lichtquelle verdeckte Zottel mit seinem Kopf.
„Ein Wildschwein!“ rief der eine erschreckt.
„Ein Elch!“ schrie ein anderer.
„Spitzmaus, bitte kommen!“ krähte das Funkgerät.
Zottel nahm es als Aufforderung und tat einen Schritt auf den sprechenden Kasten zu. Die Wand des Unterstands ging mit und begrub die fünf Männer unter rauschendem Laub. Einer nach dem anderen suchte seine Rettung in der Flucht. Dem Feind zu trotzen, war man entschlossen; sich von einem wütenden Tier angreifen zu lassen — davon stand nichts im Marschbefehl.
Obergefreiter Becker schaffte es bis zum nahegelegenen Moorsee . Auf dem Bootssteg in Sicherheit, vom Bootshaus sichtgeschützt, winkte er seinen Männern, ihm zu folgen. Dicht gedrängt stürmten sie heran, in gebückter Haltung nach allen Seiten sichernd, und schoben sich hinter dem Obergefreiten her ins Bootshaus. Das aber war für einen solchen Andrang nicht gebaut. Es wankte knirschend und knarzend erst nach rechts, dann nach links, um schließlich mit dumpfem Gurgeln in sich zusammenzusinken. Mit ihm sanken die fünf Männer, standen bis zu den Hüften im Wasser und starrten einander fassungslos an.
Die Flüche des Obergefreiten Becker drangen nicht bis zum Funkgerät. Wohl aber Zottels Schnauben und Prusten, mit dem er unter dem Blätterwald nach seiner verlorengegangenen Beute suchte.
„Nilpferd an Spitzmaus, ich höre Sie schlecht und kann Sie nicht aufnehmen, kommen! Nilpferd an Spitzmaus, kommen!“
„ Höhöhöhö “, machte Zottel, denn er hatte den Proviant entdeckt.
„Nilpferd an Spitzmaus, kommen!“
„ Hmhmhm “, machte Zottel und zerbiß krachend eine Kekspackung, um an den Inhalt zu kommen.
„Nilpferd an Spitzmaus, kommen! Was ist los, verdammt noch mal, sind Sie besoffen?“
Zottel beschloß, seinen Imbiß an einem ruhigeren Ort einzunehmen; er packte den Proviant mit den Zähnen und trabte zur Straße zurück — mitten in die Arme des Feindes. Der Feind waren die Grenadiere Hans, Fritz und Leo. Im Gegensatz zum Gefreiten Becker waren es junge Männer aus einem Dorf an der dänischen Grenze.
„Schau dir das Pony an! Das kennen wir doch! Das Mädchen heute früh!“ machte Leo seine Kameraden lachend auf Zottel aufmerksam. „Läuft hier einfach frei rum!“
„Der kommt uns gerade recht!“ stellte Fritz mit Befriedigung fest. „Schluß mit der Schlepperei, der Bursche wird zum Dienst abkommandiert.“
Mit einem Griff hatte er Zottels Halfter gepackt und zwang ihn zum Stehen. Sofort begannen die beiden anderen, Zottel alles aufzuladen, was sie bei sich trugen. Rucksäcke, Zeltbahnen, Kochgeschirre, Feldflaschen, Kampftaschen und Munition — Zottel war es, als trüge er einen ganzen Marktstand auf seinem Rücken.
Die jungen Soldaten waren gerade mit ihrer Arbeit fertig und trieben Zottel an, loszumarschieren, als sie sich unvermutet ihrem Vorgesetzten gegenübersahen. Grenadier Hans faßte sich als erster.
„Melde Herrn
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