Ein Pony mit Herz
zögernd. „Aber das schaffe ich nie!“
„Warum nicht? Du sitzt so sicher im Sattel, das ist überhaupt kein Problem. Wir würden die Nummer mit dir einstudieren!“ versprach Tom.
„Darum geht’s nicht“, widersprach Lena. „Aber ich sterbe vor Lampenfieber! Schon jetzt, wenn ich nur daran denke! Mich da allein vor die Augen des Publikums zu wagen ... also ehrlich, das bringe ich nicht!“
Tom sah nachdenklich zu Simon hinüber. „Und wenn einer von uns mit dir gemeinsam reitet? Ein Pas de deux?“
Lena überlegte. „Das wäre was anderes. Aber sieht das nicht komisch aus, so ein Riese neben Zwergen wie ich und Zottel? Entschuldige, Zottel, natürlich bist du kein Zwerg. Aber im Vergleich zu Troilus und San Pietro ...“
Simon lachte. „Ich sehe schon, da gibt es nur eine Lösung: Wir reiten zu dritt, so wie jetzt. Zwei große Ritter nehmen ein zartes Edelfräulein in die Mitte. Wir werden uns eine neue Kür für drei Reiter ausdenken!“
„Klar! Wir werden dich umkreisen wie zwei Schmetterlinge die Blüte!“ übertönte Tom ihn.
Lena lachte. „Entschuldige, aber ich mußte mir das gerade bildlich vorstellen: ihr zwei als Schmetterlinge und Zottel als Blütenstengel!“
„Na ja, Ritter und Dame ist schon passender. Pst!“ unterbrach sich Simon. „Bille kommt! Sie darf nichts davon erfahren!“
„Großes Geheimnis!“ Lena legte den Finger auf die Lippen. „Und wann studieren wir das ein?“ flüsterte sie.
„Das müssen wir ein andermal besprechen. Ich ruf dich zu Hause an, wenn ich das abgecheckt habe“, versprach Tom.
„He! Ihr tut ja so geheimnisvoll!“ Bille führte Black Arrow in die Bahn und stieg in den Sattel.
„Wir geheimnisvoll?“ Tom sah Simon und Lena mit großen erstaunten Augen an. „Das muß wohl ’ne optische Täuschung gewesen sein.“
„Genau.“ Simon lenkte San Pietro zur Tür. Wir lassen euch jetzt allein, damit Lena sich besser auf den Unterricht konzentrieren kann. Gehen wir noch ein bißchen ins Gelände, Tom?“
„Wollte ich gerade vorschlagen. Mach’s gut, Lena!“ Tom warf dem Mädchen noch einmal einen vielsagenden Blick zu.
Lena erwiderte den Blick. „Klar doch. Gleichfalls!“
„Ihr scheint euch ja gut zu verstehen“, stellte Bille zufrieden fest. „Also dann. Jetzt beginnt der ernste Teil des Tages.“ Während Bille Lena auf Zottel Unterricht gab, stand die kleine Panja in Peershof in ihrer Box und langweilte sich. Die anderen Pferde aus dem Stall hatte man hinaus auf die Koppel gebracht, nur sie mußte hier mutterseelenallein bleiben. Was nützte einem das köstlichste Futter, wenn es nicht die geringste Abwechslung gab! Und ihren rotweiß gescheckten Freund hatte man auch nicht hergebracht.
Nein, da war es in dem kleinen Stall, in dem sie seine Box mit ihm geteilt hatte, wirklich lustiger gewesen!
Panja beschloß, etwas gegen ihre Langeweile zu unternehmen. Wenn man dieses rotweiße Pony nicht zu ihr brachte, dann mußte sie es eben suchen gehen. Irgendwo würde sie es schon finden. Wahrscheinlich auf der Koppel oder im heimischen Stall.
Aufmerksam begann die kleine Ponystute, ihre Boxentür zu untersuchen. Der Riegel war ordentlich vorgeschoben, doch er war nicht mehr der neueste. Mit etwas Geduld war da vielleicht etwas zu machen. Panja drehte der Tür das Hinterteil zu und begann, sich vor und zurück zu wiegen. Bei jedem Rückwärtsschwung ließ sie sich mit ihrem vollen Gewicht gegen die Tür fallen. Die erzitterte zunächst nur leicht, doch nach einer Weile schwang sie mit, bewegte sich stärker und stärker in beide Richtungen. Ein knackendes Geräusch verriet, daß sich die Schrauben des Riegels langsam lockerten, und nach einer guten Viertelstunde war es geschafft: Mit einem dumpfen Pflopp ! und leisem Klirren sprang er aus seiner Verankerung, ging zu Boden, und die Boxentür öffnete sich. Panja drehte sich erfreut um und trat auf die Stallgasse hinaus.
Aufmerksam witterte sie zum Hof hin. Da schien alles still zu sein, weder Schritte noch Stimmen waren zu hören. Vorsichtig näherte sich die Stute der Stalltür, blickte aufmerksam in alle Richtungen und trat ins Freie. Nichts rührte sich, weit und breit war niemand zu sehen. Panja wandte sich nach links und machte sich in Richtung der Felder davon.
Für eine Weile genoß sie nur ihre Freiheit, den Trab durch die kalte, klare Luft, den Duft der feuchten Erde und der halbvertrockneten Grasbüschel am Wegrand. Hier und da zupfte sie an einem Strauch oder an ein paar
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