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Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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thronten, unterschreiben...
    Das Ministerium des Innern
ordnet an, das Ministerium des Äußern mischt sich ein, die Grenzüberwachung
weiß von allen beiden nichts und macht ihre Dummheiten selbständig.
    So, genau so war einst die
Herrschaft der Kirche.
    Ein Mann ohne Beichtzettel war
ein verlorner Mann, ein ausgestoßner Mann, eine unmögliche Erscheinung, ein
Auswurf. Der Geist war von Jugend an in das Eisenkorsett des Glaubens
eingezwängt, so daß er gar nicht anders denken konnte. «Hat er den richtigen
Glauben?» Allenfalls verstand man noch, daß er den falschen hatte — aber gar
keinen? Davor bekreuzigte der Gläubige erst sich und verbrannte dann den
andern.
    Und die Hexenrichter waren
keine schwarzen schleichenden Schufte, wie der aufgeklärte Liberalismus sie so
oft abgebildet hat — es waren anständige, reputierliche Leute, mit einem
ordentlichen Studium hinter sich, einem festen Pflichtenkreis um sich, einer
geachteten Laufbahn vor sich... Trommelten die Trommeln, brodelte das Volk auf
den großen Plätzen, surrten die Gebete der Mönche um die Verurteilten? Sie
sahen das mit ruhigen Augen an. Die Feuer brannten, die Schreie stiegen zum
Himmel auf, wie hätte das anders sein können? Das mußte so sein.
    Es mußte so sein, weil das
mittelalterliche Europa an einer Sache hing, die es von Natur aus nicht gab,
sondern die sich der Mensch erst gemacht hatte: an der Kirche. Wer hing am Kreuz?
Der Gläubige selbst: röchelnd, mit herausgequollnen Augen, in seiner Bewegung
gehemmt, an die Hölzer gebunden, glücklich, gestützt und nicht allein — so hing
er da.
    Und steht heute auf, sieht das
Kreuz mit langem Blick an, schüttelt sich und geht...?
    Er ist von einem Kreuz zu einem
andern gelaufen.
    Er stiert auf die Fahnen wie
ein Huhn, das man mit der Nase vor den Kreidestrich hält, unbeweglichen Auges,
er sieht nur das. Hat er die richtige Staatsangehörigkeit? Allenfalls versteht
man noch, daß er die falsche hat — aber gar keine? Davor schrickt der
Polizeimann zurück und jagt den andern davon.
    Und sie sind stolz auf ihren
Beichtzettel!
    Von den Reichen beachtet und
benutzt, von den Angestellten als Krippe geliebt, tausendmal verkauft an die
wahren Gewalten der Erde, deren Grenzen ganz, ganz anders laufen, als es die
Geographiebücher angeben, machtlos, wo wahre Macht ihm gegenübersteht: so bläst
sich der Staat auf und hat das scheußlichste getan, das es gibt, er hat dem
praktischen Zweck eine sittliche Idee angekleistert.
    Heimlich zugebend, daß die
Bergpredigt für ihn nicht gelte, daß die vom Individuum geforderte Moral für
ihn nicht gelte, daß die einfachsten altruistischen Gebote für ihn nicht
gelten, will er Gott verdrängen und sich an seine Stelle setzen. Und glückt das
nicht, so stellt er sich hinter das noch aufrechte Kruzifix, und der Betende
ahnt nicht, vor wem er kniet. Drücke die Schwachen — aber schwenke die Fahnen!
Bestrafe die Kranken — aber liebe den Präsidentensitz! Schände die Heimat — aber
achte den Staat! Und keiner, keiner ist ohne Beichtzettel.
    Gibt es denn nicht wenigstens
ein paar Tausend in Europa, die unberührt davon bleiben, wenn sich die
Unteroffiziere ihrer Länder in die fettigen Haare geraten? Muß uns das
berühren, daß die Stahlindustrie des einen Landes die Kohlen des andern
braucht? Daß man dafür Kriegslieder geheult, Menschen geblendet, Tiere
zerrissen, Häuser zerknallt, Gebete gebetet, bekannte Soldaten geprügelt und
unbekannte Soldaten beerdigt, Generale sauber rasiert und Arbeiter mit
Artillerie beschossen hat — muß uns der Fibelvorwand rühren? Geht uns der
fingierte Grund etwas an? «Über die Köpfe hinweg, Bruder, reich mir die Hand
—!» Ich will keinen Beichtzettel haben, ich will nicht zur Beichte gehen, ich
will nicht.
    François, Gaston, René — ich
liebe euch, nicht obgleich ihr Franzosen seid; ich liebe euch, nicht weil ihr
Franzosen seid — ich liebe euch, weil ihr François, Gaston, René seid. Mich
interessiert es nicht, zu wissen, an wen ihr eure Steuern zahlt, wer bei euch
an den Denkmälern die Reden im Gehrock hält, wer an euern Straßenecken den
Verkehr behindert...
    Die Feuerwehr ist ein
nützliches Instrument im Leben der Gesellschaft. Ich bete nicht zur Feuerwehr.
     
    Und da habe ich nun meinen Paß,
den Beichtzettel.
    Ich sehe die blauen und roten
Stempel an, blättere voller Bewunderung in unlesbaren Unterschriften und
vielsprachigen Tintenklecksen, falte fromm die Hände... Dann stecke ich den

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