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Ein Regenschirm furr diesen Tag

Ein Regenschirm furr diesen Tag

Titel: Ein Regenschirm furr diesen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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auf ihrem Balkon auf. Den Balkon kann ich von der Küche aus sehen. Es sind jedesmal vier oder fünf tiefblaue, triefend nasse Hemden, die die Frau in einer Plastikschüssel auf den Balkon herausträgt und sorgfältig aufhängt. Schon nach kurzer Zeit ist die Frau selber kaum noch sichtbar. Nur noch zufällig werde ich zwischen den blauen Hemdrücken die weißen Arme der Frau hervorschauen sehen. Ähnlich wie die Putzleute und der Inhaber des Zoogeschäfts blickt auch die Arbeiterfrau nicht ein einziges Mal in die Umgebung. Schon jetzt, obwohl ich das Bild der nassen Hemden noch gar nicht vor mir habe, beruhigt mich ihr Anblick. Ich überquere die Straße, da begegnet mir Doris. Ich bin sofort überzeugt, daß sie die Strafe für meine Trödelei ist. Doris tut, als hätte sie mich lange nicht gesehen, und wie immer paßt sie auf, daß sie sich nicht zu schnell bewegt. Als Kind ist sie wegen einer seltenen und schwierigen Herzoperation nach Amerika geflogen und dort operiert worden. Von dieser Operation hat sie eine lange Narbe zurückbehalten, die sie mir früher einmal gezeigt hat. Noch heute darf sich Doris nicht zu sehr aufregen, weil dann für ihr Herz eine gefährliche Anspannung entsteht.
    Du hast wieder in das Zoogeschäft hineingesehen, stimmts?
    Hast du mich beobachtet? frage ich zurück.
    Ja.
    Warum fragst du dann?
    Ach, nur so, sagt sie.
    Und du hast wieder überlegt, ob du dir nicht endlich zwei Mäuse kaufen sollst.
    Doris kichert.
    Ich? frage ich nur.
    Das finde ich so süß, daß ich einen Mann kenne, der sich vielleicht zwei weiße Mäuse kauft! Das hab ich neulich einer Kollegin erzählt! Und stell dir vor, die möchte dich sogar kennenlernen, nur wegen der weißen Mäuse!
    Wie kommst du denn darauf? Daß ich mir weiße Mäuse kaufen will!
    Das hast du mir selber schon erzählt.
    Nie im Leben, sage ich.
    Aber ja, sagt Doris, ich erinnere mich genau.
    Was soll ich denn mit zwei Mäusen anfangen?
    Das weiß ich auch nicht, sagt Doris. Aber gesagt hast du es, ich schwöre es.
    Du bringst da etwas durcheinander.
    Das glaubst du. Vielleicht hast du schon zwei weiße Mäuse, aber du willst es nicht zugeben oder was weiß ich.
    Du bringst da etwas durcheinander.
    Das glaube ich kaum, sagt Doris.
    Ich habe dir mal erzählt, daß ich als Kind gerne zwei Mäuse gehabt hätte.
    Genau.
    Was heißt genau?
    Genau das hast du mir erzählt, daß du als Kind gerne zwei Mäuse gehabt hättest.
    Genau, sage ich.
    Siehst du.
    Aber da ist doch ein Unterschied.
    Ein Unterschied? Was für ein Unterschied?
    Es ist ein Unterschied, ob jemand sagt, daß er als Kind gerne zwei Mäuse gehabt hätte, oder ob jemand sagt, er würde auch jetzt noch, als Erwachsener, gerne zwei Mäuse haben.
    Ach, macht Doris.
    Was heißt Ach.
    Ich glaube nicht an solche Unterschiede.
    Man muß an Unterschiede nicht glauben, sage ich, Unterschiede gibt es, Unterschiede kann man bemerken. Verstehst du?
    Nein.
    Es kommt nicht darauf an, was du glaubst, es kommt in diesem Fall nur darauf an, was ich dir gesagt habe, und ich habe dir nur gesagt, daß ich als Kind gerne weiße Mäuse gehabt hätte, verstehst du den Unterschied, als Kind.
    Ja, ja, sagt Doris, schon recht, ich habe verstanden, aber ich glaub’s nicht. Nach meiner Meinung vergessen Menschen niemals, was sie sich als Kinder gewünscht haben.
    Du verwechselst schon wieder etwas, und du merkst es wieder nicht. Ich habe nicht gesagt, daß ich vergessen hätte, was ich mir als Kind gewünscht habe.
    Ja, sagt Doris, laß mich ausreden, ich wollte sagen, daß wir auch als Erwachsene nicht aufhören können, uns die Erfüllung der Kinderwünsche zu erfüllen – äh, nein, jetzt hab ich mich verhaspelt, egal, du weißt, was ich dir sagen will.
    Ja, ich weiß, was du mir sagen willst, aber du bist auf dem Holzweg.
    Ich weiß, daß du so denkst, weil du dich schämst.
    Ich? Ich schäme mich? Warum?
    Du willst nicht zugeben, daß du nach wie vor zwei weiße Mäuse haben willst.
    Aber Doris! Wenn ich zwei weiße Mäuse haben wollte, würde ich sie mir sofort kaufen, das kannst du mir glauben!
    Aber warum stehst du dann so oft vor den Schaufenstern von Zoogeschäften herum? Kannst du mir das sagen?
    Das würdest du niemals verstehen, du verstehst ja viel einfachere Vorgänge nicht! Wie willst du so vielschichtige Dinge begreifen, daß jemand ohne Absichten und ohne Wünsche vor den Schaufenstern von Zoogeschäften herumsteht, und zwar immer wieder! Dafür kann es hundert verschiedene Gründe geben,

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