Ein Rezept für die Liebe: Roman (German Edition)
nicht ganz der Wahrheit entsprach. Melba hatte den Klatsch ebenso geliebt wie alle anderen hier. Und Kate hatte keine zwei Wochen gebraucht, um herauszufinden, dass der Klatsch hier die fünfte Säule der täglichen Nahrung darstellte – Fleisch, Gemüse, Brot und Milchprodukte, serviert mit einer gesunden Portion »Hast du schon gehört, dass Vondas Jüngster beim Rauchen hinter der Schule erwischt worden ist?«.
»Was ist mit dieser Frau, die für den Sheriff arbeitet? Sie scheint nett zu sein und redet nicht so viel wie Ada.«
»Das ist Hazel.« Stanley nahm die verpackten Steaks und trug sie, dicht gefolgt von Kate, zur Auslage. Der abgenutzte Holzboden knarzte noch an genau denselben Stellen wie in ihrer Kindheit. Noch immer hing das »Danke für Ihren Einkauf«-Schild über der Tür, und die Schokoriegel und Kaugummis lagen gleich im ersten Regalgang. Nur dass der Ein-Penny-Riegel von damals heute zehn Cents kostete, die Schritte des Ladenbesitzers langsamer geworden, seine Haltung gebeugter und seine Finger gekrümmter waren.
»Hazel ist ein nettes Mädchen«, meinte ihr Großvater und blieb vor der offenen Kühltheke stehen. »Aber sie ist eben nicht deine Großmutter.«
Die Fleischtheke war in vier Fächer auf drei Ebenen aufgeteilt
– jeweils eines für Huhn, Rind, Schwein und eines für bereits verpacktes Fleisch.
»Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, in den Ruhestand zu gehen, Großvater?«, fragte Kate, während sie einige Pakete mit Grillwürstchen gerade rückte. Dieses Thema ging ihr seit einiger Zeit im Kopf herum, und sie hatte auf den richtigen Augenblick gewartet, um es anzuschneiden. »Du solltest dich amüsieren und es langsam angehen lassen, statt Fleisch zu schneiden, bis du Blasen an den Fingern bekommst.«
Er zuckte mit den Achseln »Deine Großmutter und ich haben oft über unseren Ruhestand geredet. Wir wollten eines dieser Wohnmobile kaufen und durchs Land reisen. Deine Mutter liegt mir auch ständig damit in den Ohren, aber ich kann einfach noch nicht.«
»Du könntest ausschlafen und müsstest dir keine Gedanken mehr machen, ob Mrs. Hansens Lammfleischwürfel genau zwei Zentimeter dick sind oder ob dir der Salat ausgeht.«
»Ich schneide den Leuten das Fleisch aber gern genauso, wie sie es haben wollen, und wenn ich nicht mal einen Ort hätte, wo ich morgens hingehen kann, würde ich vielleicht bald nicht einmal mehr aufstehen.«
Kate verspürte einen Anflug von Traurigkeit. Sie kehrten ins Hinterzimmer zurück, wo ihr Großvater ihr zeigte, wie man eine neue Rolle Preisschilder in die Auszeichnungsmaschine gab. Alles, was im Laden stand, wurde mit einem Preisschild versehen, selbst wenn es bereits vom Hersteller ausgezeichnet war. Sie hatte ihren Großvater auf diesen unnötigen Aufwand hingewiesen, doch er war zu sehr mit seinen Gewohnheiten verwachsen, um noch etwas zu verändern. Seine Träume für die Zukunft waren gemeinsam mit ihrer Großmutter gestorben, und er hatte seitdem keinen Ersatz für sie gefunden.
Die Glocke über der Tür ertönte. »Diesmal gehst du«, sagte
Kate und lächelte. »Wahrscheinlich ist es wieder eine deiner Damen, die mit dir flirten will.«
»Ich will aber mit keiner Frau flirten«, grummelte Stanley und ging hinaus.
Ob ihm die allgemeine Aufmerksamkeit nun recht war oder nicht, Stanley war der begehrteste Junggeselle der älteren Damen in Gospel. Vielleicht war es an der Zeit, endlich aufzuhören, sich vor dem Leben zu verkriechen. Und vielleicht konnte sie ihm helfen, einige seiner alten Träume loszulassen und neue zu erschaffen.
Kate öffnete mit dem Taschenmesser einen Karton mit roten Rüben und griff nach dem Auszeichnungsgerät. Sie war nie eine Träumerin gewesen, sondern eher jemand, der die Dinge in die Hand nahm. Statt nebulöser Träume hatte sie voll ausgereifte Fantasien. Aber erst kürzlich hatte sie gelernt, dass es vielleicht klüger war, diese Fantasien für sich zu behalten, so dass sie nicht durch eine Zurückweisung jäh zerstört werden konnten.
Wahrscheinlich war sie die einzige Frau in der Geschichte der Menschheit, die sich in einer Bar eine Abfuhr eingehandelt hatte, und in den letzten beiden Wochen war es ihr nicht gelungen, sich einen würdigen Ersatz für ihre Fantasie einfallen zu lassen. Keine üblen Burschen auf Motorrädern mehr, die sie auf den Sattel der Maschine fesselten. Nein, es gab überhaupt keine Fantasien mit irgendwelchen Männern mehr. Dieser Mistkerl in Sun Valley hatte sie
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