Ein Ring aus Asche
wir nebeneinandergelegen hatten.
Thais sah ihn noch nicht einmal an, sondern starrte nur auf den Boden. Ihr Körper war so steif wie der einer Statue. Für eine Sekunde irritierte sie mich– ich wollte, dass sie die typische Clio-Coolness, die Clio-Stärke an den Tag legte. Ich wollte nicht, dass sie jung und verletzlich wirkte. Das war fast so, als würde ich selbst schwach erscheinen.
»W ie geht’s deinem Freund?«, fragte Luc sie mit eisiger Stimme.
Sie blickte auf, und ich sah einen Funken in ihren Augen, der mich überraschte. »G ut«, erwiderte sie gelassen und lächelte fast. »V ielleicht treffe ich ihn später noch.« Sie klang distanziert, uninteressiert. Ich war stolz auf sie.
Lucs Gesicht rötete sich, seine Augen wurden schmal. Für seine Fähigkeit, Gefühle zu verbergen, würde er keinen Preis gewinnen. Ich biss die Zähne zusammen. Gefühle, die er für meine Schwester empfand. »W ir werden erst spät fertig werden«, sagte er mit angespannter Stimme.
Thais zuckte beiläufig die Schultern und nahm einen Schluck Tee. »D as ist schon okay.«
»D u hast ja nicht lange gebraucht«, sagte er ärgerlich.
Thais zuckte erneut die Achseln. Ich sah eine schwach rötliche Färbung auf ihrem Hals. Gleich würde sie komplett erröten. Sie war nicht so unbeeindruckt von Luc, wie sie vorgab. Sie setzte ihr Glas ab und ging ohne ein weiteres Wort und ließ mich mit Luc allein.
»W arum läufst du ihr nicht hinterher?«, fragte ich abfällig. Ich warf mein Haar über die Schultern und spürte, wie der Ärger in meiner Brust explodierte. »S ie ist doch diejenige, die dir wirklich wichtig ist.«
Luc wandte sich zu mir um, um mich anzusehen. Ich dachte, er würde irgendetwas zurückkeifen und dann ebenfalls gehen, doch das tat er nicht. »N icht nur Thais ist mir wichtig«, erwiderte er müde. Er fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. Er war sicher einen Meter achtzig groß, viel größer als Richard. »D u bist mir absolut wichtig, Clio, ehrlich.«
Ich war zu verblüfft, um eine bissige Antwort zu geben.
»I ch habe dich zuerst kennengelernt, und es war deine Schönheit, die mich gefangen genommen hat«, fuhr er mit leiser Stimme fort. »I ch liebe dein Feuer und deine Stärke. Du bist in deinem Körper zu Hause, du weißt ihn einzusetzen. Du hattest eine klare Vorstellung davon, was du von mir wolltest. Ganz allgemein weißt du, was du willst. Das alles gefällt mir außerordentlich gut.«
Schnell trank ich einen Schluck Tee, um nicht schreiend in den Wald zu laufen. Das Schlimmste war, dass ich ihm glauben wollte, ja fast tat ich das auch. Ich wollte ihn so sehr, seine Lügen mussten einfach wahr sein.
»U nd dann hast du meine Schwester getroffen und dachtest dir, ›cool, ein Doppelpack‹, oder wie?«, fragte ich, stolz, dass meine Stimme nicht zitterte.
Luc fuhr zusammen. Ich wollte ihn umarmen, meinen Kopf an seine Brust legen, über sein Haar streichen und ihn trösten. Sagen wir, ich war so etwas wie ein Masochist.
»I ch habe einen riesigen Fehler gemacht. Ich habe euch beide unfair behandelt und treulos hintergangen. Es tut mir wirklich leid, Clio, glaube mir… Ich hatte nie die Absicht, dich zu verletzen. Mit dir war ich glücklich, und ich hatte gehofft, dich ebenfalls glücklich zu machen.«
»D ann solltest du mal versuchen, mich nicht mit meiner Zwillingsschwester zu betrügen.« Ich hatte die Zähne fest zusammengebissen und die Hände zu beiden Seiten meines Körpers zu Fäusten geballt. Ich war wütend, dass er mich angelogen und manipuliert hatte, und ich war sogar noch wütender auf mich selbst, weil ich ihn trotzdem begehrte.
Ich stolzierte von dannen und versuchte, mich zu beruhigen. Es war schon schlimm genug, dass ich solche Gefühle hatte, auch ohne dass irgendjemand davon wusste. Es publik werden zu lassen, wäre mehr als ich ertragen konnte.
Nan und Thais waren gerade dabei, einen großen Kreis zu legen. Manon und Jules halfen ihnen dabei. Daedalus schien aus einem riesigen alten Buch vorzulesen. Sophie und Ouida unterhielten sich, einen Haufen beblätterter Zweige in den Armen. Axelle stand bei einem anderen Tisch und belegte einen Cracker mit Käse. Alle waren beschäftigt. Ich konnte den Moment gut gebrauchen, um mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich schlüpfte zwischen die Bäume und schrie auf, als mich plötzlich jemand packte.
»W as willst du denn, du lieber Himmel?«, zischte ich und entriss Richard meinen Arm.
»I ch weiß es nicht«,
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