Ein Ring aus Asche
um, um mich zu entfernen.
»W arte«, sagte er.
Ich wandte mich ihm erneut zu und war froh, meine Espadrilles mit den fünf Zentimeter hohen Absätzen anzuhaben, denn so war Richard höchstens drei oder vier Zentimeter größer als ich. Mit versteinertem Gesicht stand ich da, während er seine Kampfhosen von den Füßen kickte und vom Boden aufhob.
»W enn du versuchst, mich vor lauter Lust rasend zu machen, dann ist es dir nicht geglückt«, sagte ich in gelangweiltem Ton.
Er grinste leicht und warf seine Kleider ins Auto. Dann kam die allgegenwärtige Zigarette zum Vorschein, die er sich anzündete.
»I ch muss gehen«, sagte ich ungeduldig.
Er tat einen tiefen Zug und hielt den Kopf gesenkt, als würde er nachdenken. Dann sah er mich erneut an, wobei er den Rauch wie ein Drache aus der Nase stieß.
»I ch wollte sagen, dass es mir leidtut«, sagte er. Ich blinzelte überrascht.
»W as denn?«
»D ass ich dich geküsst habe. Letzte Nacht.«
Misstrauisch musterte ich ihn, doch in seinen Augen lag keine Ironie, kein Doppelsinn in seinen Worten. Um eine Antwort verlegen, zuckte ich einfach nur die Schultern und schüttelte den Kopf.
»D as wollte ich nicht«, fuhr er fort. »I ch werde es nicht wieder tun.«
Richard warf mir ein schwaches, beinahe trauriges Lächeln zu, drehte sich um und lief zur Lichtung zurück. Ich hörte, dass Daedalus seinen Namen rief. Wie erstarrt stand ich da und sog flach und geräuschlos den Atem ein. Mit einem Mal merkte ich, wie aufgewühlt ich war. Ich schluckte schwer. Das war lächerlich. Bei der Göttin, es gab absolut keinen Grund, aufgebracht oder verletzt zu sein, bloß weil Richard mich eigentlich gar nicht hatte küssen wollen.
Das war mir doch vollkommen gleichgültig.
7
»K ann ich etwas von dem Wein haben?«, fragte ich Nan, nachdem ich zurück war.
Sie schenkte mir ein halbes Glas ein. »D as muss die ganze Nacht reichen.«
»O kay.« Sie entfernte sich, um mit Axelle, Jules und Ouida zu sprechen. Ich nahm einen Schluck und fühlte die Wärme, die zusammen mit dem Alkohol meine Kehle hinunterlief. Ich begriff, dass Wein das Letzte war, was ich in diesem Moment wollte, also stellte ich ihn ab.
»H aben wir Limonade?«, fragte ich Thais. »O der Wasser? Eistee?«
»T ee. Hier.« Sie gab mir ein Glas, das bereits eingeschenkt war. »A lso, der Wein… Stört es denn niemanden, dass du minderjährig bist?«
Ich dachte nach. »N a ja, ich fahre heute nicht Auto und es ist schließlich nur ein halbes Glas. Das ist einfach unsere Tradition, weißt du? Unsere Familien-Tradition. Die Franzosen lassen ihre Kinder schon am Wein nippen, wenn sie noch klein sind. Ich meine, ich hänge deswegen nicht bierselig vor irgendeinem Supermarkt rum.«
Thais nickte, während sie über meine Worte nachdachte. »W eißt du, diese Buff-Teile, oder wie auch immer die heißen, sind echt bequem«, meinte sie schließlich. »U nd sie sehen sogar an den Männern ganz okay aus.«
Ich trank fast den ganzen Tee in einem Zug aus. »A aah, das ist besser. Ja, die sind wie Kilts«, stimmte ich zu. »A m richtigen Typen können sie sogar total sexy aussehen.« Ich zuckte zusammen. Wir wussten beide genau, wen wir heute Abend im bouvre sehen würden.
Ganz abgesehen von Richard. Ich saß mit dem Rücken zur Lichtung, weil ich ihn nicht wieder anschauen wollte. Ich hatte Thais nicht erzählt, dass er mich geküsst hatte. Nicht einmal Racey hatte ich davon berichtet. Normalerweise erzählte ich ihr alles, und ich wusste selbst nicht so recht, warum ich das für mich behalten musste.
Ich fühlte, wie Thais neben mir steif wurde, und drehte mich um. Sie starrte mich an, die blattgrünen Augen weit aufgerissen. Ich streckte die Hand aus und tätschelte ihren Arm. Sie versuchte zu lächeln.
Wir drehten uns beide gleichzeitig um.
»L oser«, sagte ich kühl zur Begrüßung.
Lucs schöne dunkelblaue Augen blickten in meine, als könne er bis auf den Grund meiner Seele blicken. Gute Göttin, was war das nur in letzter Zeit mit mir und den Jungs? Noch nie zuvor in meinem ganzen Leben hatte mich ein Typ aus der Fassung gebracht und jetzt schien es Luc und sogar Richard spielend leicht zu gelingen.
Luc nickte. »J a. Ich habe verloren«, sagte er, und allein beim Klang seiner Stimme jagten mir Schauer über den Rücken. Auf einen Schlag wachte mein Körper auf, die Enden aller einzelnen Nerven erwachten zum Leben, erinnerten sich an seine Berührung, seine Küsse, wie er sich angefühlt hatte, als
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