Ein Ring von Tiffany - Roman
gehört« sagen wollen, aber das schien ihr dann doch zu bedeutungsschwer. Stattdessen fuhr sie fort: »Ich habe heute leider nicht viel Zeit, ich wollte nur kurz vorbeischauen.«
Tutis Lächeln erstarb. »So schnell?«, fragte sie und runzelte die Stirn. »Okay, dann hol ich mir was zu trinken und lass euch allein. Leigh, Jesse? Auch etwas?«
Jesse tätschelte ihre Schulter und schüttelte den Kopf, woraufhin Tuti hurtig Richtung Bar verschwand.
»Was hast du dir dabei gedacht, sie mitzubringen?«, hörte Leigh sich fragen, als funktionierten ihr Gehirn und ihr Mund vollständig getrennt voneinander. Sie stopfte sich drei Nicorette hinein und wartete auf die große innere Ruhe. »Nein, sag nichts. Es ist mir egal, was du dir dabei gedacht hast. Ich will bloß noch weg.« Sie griff nach ihren Sachen, doch Jesses Hand legte sich wie eine Schraubzwinge auf ihren Arm.
»Sie ist dreiundzwanzig und kommt aus Ubud, das ist ein Dorf auf Bali, in Indonesien. Ich bin da ein Jahr nach dem Erscheinen von Entzauberung gelandet und hab mit einem Trupp
schwerreicher Europäer einen Monat lang Party gefeiert, in einem Haus, das dem Vater von irgendwem gehörte. Alles soweit gut und schön, bis einer von ihnen eine Überdosis erwischte und Al-Qaida am nächsten Tag diesen balinesischen Nachtklub in die Luft sprengte.«
Leigh nickte. Sie erinnerte sich.
»Wie man sich denken kann, zog die Party weiter, aber irgendwas hielt mich dort fest. Ich fuhr von Kuta, der Stadt, wo die Bombe hochgegangen war, ins Inland, zu den Reisterrassendörfern in den Bergen; dort sollten die ganzen Künstler, Kunsthandwerker und Schriftsteller Balis leben. Und richtig, in Ubud wimmelte es nur so von ihnen. Wirklich unglaublich! Jeden Tag gab es irgendwas zu feiern, ein riesiges, buntes Fest zu Ehren der Jahreszeit, eines Feiertages oder eines besonderen Ereignisses. Und die Menschen! Mein Gott, sie waren einfach umwerfend. So gastfreundlich, so offen. Tutis Vater und ich wurden Freunde. Er ist nur vier Jahre älter als ich, und er hat ihr...« Jesse unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Er ist ein begabter Schnitzer, eigentlich eher ein Kunsthandwerker. Ich habe ihn in seinem Laden kennengelernt, und er hat mich gleich zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. Eine wunderbare Familie. Um es kurz zu machen, ich verdanke Tutis Vater eine Menge. Er hat mich wieder in die richtige Bahn gelenkt - mir in vielerlei Hinsicht das Leben gerettet, denke ich -, deswegen habe ich keine Sekunde überlegt, als er mich bat, Tuti zu heiraten.«
Leigh war sich nicht sicher, worauf die Geschichte eigentlich hinauslaufen sollte, aber sie war fasziniert von ihr - einmal abgesehen davon, dass ihr nun einleuchtete, wieso die Klatschpresse keinen Wind davon bekommen hatte. Aber der Teufel sollte sie holen, wenn sie Jesse das merken ließ; stattdessen trank sie ein Schlückchen Kaffee und sagte betont distanziert: »Sie ist sehr süß, Jesse. Ich verstehe, warum du sie geheiratet hast.« Was sie nicht sagte: Wieso erzählst du mir das?
Jesse lachte. »Leigh, ich habe das ganz wörtlich gemeint, als ich sagte, ich hätte Tuti geheiratet, weil ihr Vater mir lieb und teuer ist und er mich darum gebeten hat. Sie war noch ein Kind - ist es bis heute -, und ich mag sie unglaublich gern, aber wir hatten nie eine Liebesbeziehung und werden auch nie eine haben.«
»Ah ja, ich verstehe vollkommen.« Eigentlich wollte sie nicht die sarkastische Schiene fahren, aber die ganze Situation verwirrte sie zutiefst.
»Nach dem 11. September setzten die USA Indonesien auf die Liste besonders gefährlicher terroristischer Länder. Und obwohl die Einwohner von Bali zu achtundneunzig Prozent Hindus sind - im Gegensatz zum restlichen Land, da machen die Muslime den gleichen Prozentsatz aus -, bekam Tuti nicht einmal ein Touristenvisum für Amerika. Ihre Eltern haben ihr Leben lang geschuftet, um ihr - so wie vorher ihrem älteren Bruder - eine Ausbildung in den Vereinigten Staaten zu ermöglichen, aber aufgrund der veränderten politischen Situation war das unmöglich. Und da kam ich ins Spiel.«
»Du hast sie geheiratet, damit sie ein Visum bekommt?«, fragte Leigh entsetzt. Passierte so was nicht nur im Film?
»Genau.«
Leigh schüttelte nur fassungslos den Kopf.
»Findest du das wirklich so schrecklich?«, fragte Jesse. »Genau deshalb wollte ich bisher nicht davon anfangen.«
» Schrecklich würde ich vielleicht nicht sagen, aber es ist auf jeden Fall... eigenartig.« Leigh sah
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