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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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schläfrig fühlte, so schickte ich nach dem Doktor Pillsbury.
    Man titulierte Herrn Pillsbury nur aus bloßer Höflichkeit „Doktor“, denn er war, was man zu jener Zeit einen „Naturheilarzt“ oder „Quacksalber“ zu nennen pflegte. Er selbst legte sich den Titel bei: „Professor des tierischen Magnetismus.“ Ich war mit ihm ganz zufällig bekannt geworden bei einigen dilettantischen Untersuchungen über gewisse Erscheinungen des tierischen Magnetismus. Meines Erachtens verstand Doktor Pillsbury absolut nichts von der Medizin, aber er war ein vorzüglicher Magnetiseur. Wenn ich eine dritte schlaflose Nacht befürchtete, so pflegte ich ihn holen zu lassen, damit er mich durch seine Manipulationen einschläferte. Wie groß auch meine nervöse Unruhe, meine geistige Erregung sein mochten, es gelang doch Doktor Pillsbury jedesmal, mich nach kurzer Zeit in tiefen Schlaf zu versetzen. Und dieser dauerte so lange, bis ich durch das umgekehrte magnetische Verfahren wieder aufgeweckt wurde. Es war weit einfacher, einen Schlafenden aufzuwecken, als jemand in Schlaf zu versenken, und so hatte ich der Bequemlichkeit halber Doktor Pillsbury meinen Diener Sawyer lehren lassen, wie ich geweckt werden mußte. Außer diesem treuen Diener wußte niemand, warum Doktor Pillsbury mich besuchte, und daß er überhaupt zu mir kam. Natürlich würde ich nach der Hochzeit Edith mein Geheimnis mitgeteilt haben. Dies zu tun, hatte ich bisher unterlassen, da der magnetische Schlaf unzweifelhaft mit einer kleinen Gefahr verbunden war. Ich befürchtete daher, daß meine Braut Einspruch gegen meine Gewohnheit erheben würde. Die drohende Gefahr bestand selbstverständlich darin, daß der Schlaf zu tief werden und in einen Starrkrampf übergehen konnte, den der Magnetiseur nicht mehr zu brechen vermochte. Der Schlummer hätte dann mit dem Tod endigen müssen. Wiederholte Versuche hatten mich jedoch davon überzeugt, daß bei den nötigen Vorsichtsmaßregeln diese Gefahr außerordentlich gering war, und so hoffte ich – allerdings nicht mit zu großer Zuversicht – auch Edith davon zu überzeugen. Nachdem ich meine Verlobte verlassen hatte, ging ich geradewegs nach Hause und sandte sofort Sawyer nach Doktor Pillsbury. Unterdessen suchte ich mein unterirdisches Schlafzimmer auf, vertauschte meinen Gesellschaftsanzug mit einem bequemen Schlafrock, setzte mich und begann die Briefe zu lesen, die mit der Abendpost gekommen waren und die Saw yer auf meinen Lesetisch gelegt hatte. Einer von ihnen war von dem Baumeister meines neuen Hauses und bestätigte, was ich infolge der Zeitungsnachrichten schon vermutet hatte. Die neu ausgebrochenen Streiks, so schrieb er mir, machten es ihm für unbestimmte Zeit unmöglich, seine kontraktlichen Verpflichtungen gegen mich einzuhalten. Weder Unternehmer noch Arbeiter würden in dem streitigen Punkte ohne langen Kampf nachgeben. Caligula wünschte bekanntlich dem römischen Volke nur einen einzigen Kopf, damit er ihn mit einem Streich abschlagen könne. Ich fürchte, daß ich beim Durchlesen des Briefes einen Augenblick lang fähig gewesen bin, der Arbeiterklasse in Amerika auch nur einen einzigen Kopf zu wünschen. Meine trübseligen Betrachtungen wurden durch die Rückkehr Sawyers unterbrochen, der den Doktor mitbrachte.
    Mein Diener hatte es nicht leicht gehabt, mir Doktor Pillsburys Hilfe zu verschaffen. Dieser stand nämlich im Begriff, unsere Stadt noch in derselben Nacht zu verlassen. Seit er mich zum letztenmal gesehen, hatte er von einem einträglichen Tätigkeitsfeld als Magnetiseur in einer entfernten Stadt gehört und sich entschlossen, die gute Gelegenheit schleunigst beim Schopfe zu fassen. Ganz erschreckt durch seine Mitteilung fragte ich, was ich denn ohne ihn anfangen solle, und wer anders als er mich einschläfern könne. Doktor Pillsbury nannte mir die Namen mehrere Magnetiseure in Boston und versicherte, daß sie die gleichen Kräfte besäßen wie er selbst. Dadurch einigermaßen beruhigt, gab ich Sawyer die Weisung, mich am nächsten Morgen um neun Uhr zu wecken. Im Schlafrock legte ich mich dann möglichst bequem aufs Bett und überließ mich den Händen des Magnetiseurs. Mein ungewöhnlich nervöser Zustand bewirkte jedenfalls, daß ich diesmal das Bewußtsein langsamer als gewöhnlich verlor, endlich aber überkam mich doch eine wohltuende Schläfrigkeit.

 
3. Kapitel
Julian Wests Erwachen
     
    „Er wird gleich die Augen öffnen. Es ist besser, wenn er zuerst nur einen von uns

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