Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
Vom Netzwerk:
ironisch lächelnd, „daß die Geschichte ziemlich unwahrscheinlich klingt.“
    „Ungewöhnlich ist sie auf jeden Fall, das gebe ich gern zu“, antwortete er, „allein gewisse Umstände vorausgesetzt ist sie weder unwahrscheinlich noch unvereinbar mit dem, was wir über den Starrkrampf wissen. Wenn dieser, wie in Ihrem Falle, ein vollständiger ist, so sind auch die Funktionen des Lebens vollständig aufgehoben. Die Gewebe werden dann nicht verbraucht. Der Scheintod kann in solchem Falle unbestimmt lange Zeit dauern, wenn nur der Körper durch äußere Umstände gegen Verletzungen geschützt ist. Ihr Starrkrampf ist allerdings der längste, von dem man je Genaues gehört hat. Mir ist jedoch kein Grund bekannt, weshalb Sie nicht in Ihrem Zustand unterbrochenen Lebens hätten noch weiter verharren können, immer vorausgesetzt, daß das Zimmer unbeschädigt geblieben wäre, in dem wir Sie aufgefunden haben. Ihr Scheintod konnte unter diesen Bedingungen dauern, bis nach zahllosen Jahrtausenden die allmähliche Erkaltung der Erde die Gewebe Ihres Körpers zerstört und den Geist in Freiheit gesetzt hätte.“
    Ich mußte mir eines sagen. War ich wirklich das Opfer eines Scherzes geworden, so hatten seine Anstifter einen Mann zum Helfershelfer gewählt, der diese Täuschung bewundernswert durchführte. Die eindringliche und sogar beredte Art und Weise meines Gefährten hätte selbst die Behauptung überzeugend erscheinen lassen, daß der Mond ein großer Käse sei. Ich hatte seine Theorie über den Starrkrampf mit einem Lächeln des Zweifels aufgenommen, das schien ihn jedoch nicht im geringsten irrezumachen.
    „Vielleicht“, sagte ich, „werden Sie so freundlich sein, mit Ihren Erklärungen fortzufahren und mir etliche Einzelheiten über die Umstände zu erzählen, unter denen Sie das bewußte Zimmer samt seinem Inhalt entdeckt haben. Es macht mir Vergnügen, gut erfundenen Märchen zu lauschen.“
    „In dem vorliegenden Falle“, antwortete der Herr mir ernst, „könne kein Märchen so seltsam sein, wie die Wahrheit es ist. Sie müssen wissen, daß ich mich schon seit vielen Jahren mit dem Plane trug, in dem großen Garten neben diesem Hause ein Laboratorium für chemische Versuche zu bauen, für die ich große Vorliebe habe. Vergangenen Donnerstag begannen wir endlich damit, den Keller zu graben. Am Abend waren wir damit fertig, und Freitag sollten die Maurer kommen. Donnerstag nacht regnete es in Strömen, so daß ich Freitag früh meinen Keller als Froschteich und die Grundmauern abgespült fand. Meine Tochter betrachtete mit mir zusammen den Schaden und machte mich auf ein Stück Mauerwerk aufmerksam, das durch die Abspülung einer Kellerwand bloßgelegt worden war. Ich scharrte noch mehr Erde von dem Gemäuer herunter; es schien ziemlich umfangreich zu sein, und so beschloß ich, es zu untersuchen. Die Arbeiter, die ich holen ließ, gruben ein längliches Gewölbe aus. Es lag ungefähr acht Fuß tief unter der Erdoberfläche und war offenbar in die eine Ecke vom Fundament eines alten Hauses hineingebaut gewesen. Dieses Haus mußte durch Feuer zerstört worden sein. Darauf ließ eine Schicht Asche und Kohle schließen, die auf der Decke des Gewölbes lagerte. Dieses selbst war durchaus gut erhalten, der Zement noch so fest, als ob er neu wäre. Es hatte eine Türe, die wir jedoch nicht aufbrechen konnten. Um in das Gewölbe zu gelangen, mußten wir einige große Quadersteine der Bedachung ausheben. Eine dumpfe Luft schlug uns entgegen, die aber rein, trocken und nicht kalt war. Mit einer Laterne ausgerüstet stieg ich in das Gewölbe hinab und befand mich in einem Schlafzimmer, das im Stile des neunzehnten Jahrhunderts möbliert war. Auf dem Bette lag ein junger Mann. Die Annahme drängte sich natürlich auf, daß er tot war und schon seit hundert Jahren tot sein mußte. Allein sein Körper war so außerordentlich wohlerhalten, daß es meine tiefe Verwunderung erreg te wie die einiger Kollegen, die ich hatte rufen lassen. Wir würden es nicht für möglich gehalten haben, daß die Kunst des Einbalsamierens je einen so hohen Grad der Vollkommenheit erreicht hätte. Jetzt aber lag allem Anschein nach ein überzeugender Beweis vor unseren Augen; daß unsere nächsten Vorfahren in ihr Großes geleistet hatten. Die Wißbegierde meiner Kollegen war aufs höchste erregt worden. Sie wollten sofort Versuche anstellen, um sich über die Natur des angewandten Verfahrens Klarheit zu verschaffen. Ich hielt sie davon

Weitere Kostenlose Bücher