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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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über die Schnelligkeit wundern, mit der sich diese Wandlung vollzog, nachdem einmal ihre Möglichkeit anerkannt worden war: das heißt die berauschende Wirkung vergessen, die die Hoffnung auf Gemüter ausübt, die seit langem eine Beute der Verzweiflung geworden sind. Als die Sonne nach so langer dunkler Nacht endlich durch die Wolken brach, da mußte sie natürlich blenden. Der Umschlag der Stimmung mußte von dem Augenblick an geradezu überwältigend werden, wo man zu glauben wagte, daß trotz allem die Menschheit keineswegs dazu bestimmt sei, ein Zwerg zu bleiben, daß ihre zu Boden gedrückte Gestalt nicht das Maß ihrer möglichen Größe sei, sondern daß eine unbegrenzte Entwicklung vor ihr liege. Nichts könnte der Begeisterung widerstehen, die der neue Glaube einflößte.
    Damals müssen die Menschen unbedingt empfun den haben, daß sie Aug’ in Auge mit einer Sache standen, an der gemessen die großartigsten Ereignisse der bisherigen Geschichte zu kleinen Vorgängen zusammenschrumpften. Gerade weil diese Sache Millionen von Märtyrern gefunden haben würde, hat sie ohne Zweifel keines einzigen bedurft, um zu siegen. Der Wechsel einer Dynastie in einer kleinen Monarchie der alten Welt hat oft mehr Blut gekostet als die Revolution, die die Menschheit endlich auf die richtige Bahn geführt hat.
    Wem das Glück beschert worden ist, in unserem goldenen Zeitalter zu leben, dem ziemt es gewiß nicht schlecht, sich ein anderes Los zu wünschen! Und doch habe ich oft gedacht, daß ich mit Freuden meinen Anteil an dieser sonnigen, strahlenden Gegenwart für einen Platz in jener stürmischen Übergangsepoche hingeben würde, wo Helden das verschlossene Tor der Zukunft sprengten und dem aufleuchtenden Blick eines hoffnungslosen Geschlechts an Stelle der festen Mauer, die ihm bisher den Weg versperrt hatte, die Aussicht auf einen Fortschritt zeigten, dessen Ziel uns noch immer durch den Glanz seines Lichtes blendet. Ach, meine Freunde, wer wird mir nicht beipflichten? Damals gelebt zu haben, wo der schwächste Einfluß zum Hebel wurde, unter dessen Druck die Jahrhunderte zitterten, das war ein Los, das man sogar gern gegen das Glück eintauschen würde, unsere Luft edlen Lebensgenusses zu atmen!
    Sie kennen die Geschichte jener letzten, größten und unblutigsten aller Revolutionen. In der Spanne eines Menschenalters brachen unsere Voreltern mit den sozialen Einrichtungen und Sitten von Barbaren und nahmen eine Gesellschaftsordnung an, die vernünftiger und menschlicher Wesen würdig war. Sie ließen ihre räuberischen Gewohnheiten fahren, wirkten einträchtig zusammen und fanden in der Brüderlichkeit die Wissenschaft, reich und glücklich zu werden. ‚Was werde ich essen?’, ‚Was werde ich trinken?’ ‚Womit werde ich mich kleiden?, das waren Fragen voller Schrecken und von ewiger Wiederkehr, solange nur das Ich des einzelnen sie aufwarf und die Antwort darauf gab. Die Schwierigkeiten ihrer Lösung verschwanden erst, als man sie nicht mehr im Geiste des Individualismus, sondern der Brüderlichkeit stellte und sagte: ‚Was werden wir essen?’ ‚Was werden wir trinken?’ ‚Womit werden wir uns kleiden?’
    Armut und mit ihr Knechtschaft waren für die große Masse der Menschen die Folge des Versuchs, die Frage des Lebensunterhaltes im Sinne des Individualismus zu lösen. Kaum aber war die Nation der einzige Kapitalist und Unternehmer geworden, so trat nicht nur Überfluß an Stelle des Mangels, es verschwand auch die letzte Spur der Knechtschaft des Menschen durch den Menschen von der Erde. Endlich lag die so oft vergeblich bekämpfte Sklaverei tot am Boden. Die Unterhaltsmittel wurden nicht länger gleich Almosen von den Männern den Frauen, von den Unternehmern den Arbeitern, von den Reichen den Armen gereicht; sie wurden aus dem gemeinsamen Besitz wie unter Kinder verteilt, die an des Vaters Tische sitzen. Es war unmöglich geworden, daß ein Mensch einen Mitmenschen noch fürderhin als Werkzeug seines eigenen Vorteils benutzte. Die Achtung war die einzige Art des Gewinnes, den er hinfort aus dem Nächsten ziehen konnte. In den Beziehungen der Menschen zueinander gab es weder Anmaßung mehr noch Unterwürfigkeit. Zum erstenmal seit den Tagen der Schöpfung stand der Mensch aufrecht vor Gott. Die Furcht vor Mangel und die Gier nach Gewinn bestimmten nicht länger der Menschen Tun, seitdem allen ein reichliches Auskommen gesichert war und niemand übermäßige Reichtümer erwerben konnte. Die

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