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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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jedermann so glücklich zu machen. Denn wahrlich, um die gesamte Nation in einem Wohlleben, ja sogar in einem Luxus zu erhalten, wie ich ihn hier um mich sehe, dazu bedarf es eines bei weitem größeren Reichtum, als ihn die Nation zu meiner Zeit erzeugte. Wohl könnte ich meinen Freunden im übrigen so ziemlich die wesentlichsten Züge Ihrer sozialen Ordnung schildern, allein ich wäre außerstande, ihnen diese Frage zu beantworten. Und da sie, wie gesagt, sehr genaue Rechner waren, so würden sie mir entgegnen, ich hätte geträumt, und mir überhaupt nichts mehr glauben. Wenn man zu meiner Zeit in den Vereinigten Staaten den Gesamtertrag der nationalen Jahresproduktion vollkommen gleichmäßig unter allen verteilt hätte, so würden auf den Kopf nicht mehr als drei- bis vierhundert Dollar entfallen sein. Das heißt also nicht sehr viel mehr, als gerade erforderlich ist, um die notwendigsten Lebensbedürfnisse zu bestreiten und darüber hinaus vielleicht noch einige wenige bescheidene Annehmlichkeiten zu genießen, wenn es überhaupt dazu reicht. Wie kommt es, daß Ihr Reichtum so viel größer ist?“
    „Diese Frage ist sehr berechtigt, Herr West“, antwortete Doktor Leete. „Ich würde Ihre Freunde keineswegs tadeln, wenn sie Ihre Erzählung für ein Phantasiegebilde erklärten, weil Sie ihnen darauf keine befriedigende Antwort geben könnten. Es ist eine Frage, die ich Ihnen unmöglich auf einmal erschöpfend beantworten kann, und was die genauen statistischen Nachweise für meine allgemeinen Angaben anbelangt, so muß ich Sie auf Bücher in meiner Bibliothek verweisen. Da es jedoch bedauerlich wäre, wenn Sie in dem angegebenen Fall von Ihren alten Bekannten in Verlegenheit gesetzt würden, so kann ich nicht umhin, Ihnen einige Andeutungen zu machen.
    Beginnen wir mit einigen kleinen Posten, bei denen wir, verglichen mit den Verhältnissen Ihrer Zeit, Ersparnisse erzielten. Wir haben keine Reichs-, Staats-, Provinzial- oder Gemeindeschulden, deren Zinsen wir zahlen müßten. Wir haben keine Ausgaben für Ausrüstung und Unterhalt eines Kriegsheeres und einer Kriegsflotte, da wir keinerlei militärische Einrichtungen besitzen. Wir zahlen keine Steuern, und somit ist die ganze Beamtenschar überflüssig geworden, die mit ihrer Einziehung und Verwaltung betraut war. Was den Stab unserer Richter, Polizisten, Exekutivbeamten und Gefängniswärter anbelangt, so unterhielt davon zu Ih rer Zeit Massachusetts allein mehr als die ganze Nation. Es existiert nicht mehr wie bei Ihnen eine Verbrecherklas se, die vom Raube des Nationalvermögens lebt. Zu Ihrer Zeit hatten die Gesunden eine schwere Last zu tragen durch die Fürsorge für die körperlich Gebrechlichen, für Kranke, Schwache und Krüppel, kurz für alle, die zur werktätigen Arbeit ganz oder teilweise untauglich waren. Dank der nun gleich gesunden und angenehmen Lebensbedingungen für alle ist die Zahl dieser Bedauernswerten gegenwärtig auf einen kaum nennenswerten Bruchteil der Bevölkerung gesunken und geht mit jeder Generation immer mehr zurück.
    Ferner sparen wir durch die Abschaffung des Geldes, die tausenderlei Beschäftigungen wegfallen ließ, die mit den Finanzoperationen jeder Art verbunden waren und früher ein Heer von Menschen nützlicher Arbeit entzogen. Erwähnt sei auch, daß, es bei uns keinen übermäßigen persönlichen Luxus von Reichen gibt wie zu Ihrer Zeit; es war dies eine Quelle der Verschwendung, deren Bedeutung man allerdings nicht überschätzen darf. Vor allem aber vergessen Sie nicht, daß jetzt keine Müßiggänger mehr vorhanden sind, weder reiche noch arme – keine Drohnen.
    Eine sehr gewichtige Ursache der früheren Armut war die riesige Vergeudung an Arbeit und Material, die daraus erwuchs, daß der einzelne zahllose Arbeiten für sich allein verrichtete, die bei uns Sache des genossenschaftlichen Betriebs geworden sind. Dazu gehört auch das Kochen und Waschen, das bei Ihnen im einzelnen Haushalt geschah.
    Größer als alle bisher aufgezählten Ersparnisse, ja größer als alle zusammengenommenen ist jedoch die Ersparnis, die wir dank der Organisation unserer Güterverteilung erzielen. Eine Unsumme von Zeit und Kraft wurde zu Ihrer Zeit mit überflüssigem, endlosem Hin- und Herschicken der Waren vergeudet. Ein Heer von Kauf- und Geschäftsleuten, Spekulanten, Groß- und Kleinhändlern, Maklern, Agenten, Reisenden und tausenderlei Mittelspersonen war dabei beschäftigt. Bei uns wird die Arbeit der Güterverteilung von dem

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