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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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zehnten Teil der Leute besorgt, ohne daß sich dabei auch nur ein Rad unnötig umdrehte. Sie haben schon einigen Einblick erlangt, wie unsere Güterverteilung geregelt ist. Unsere Statistiker haben berechnet, daß ein Achtzigstel unserer Arbeiter ausreicht, um den gesamten Verteilungsprozeß zu besorgen; zu, Ihrer Zeit nahm er ein Achtel der ganzen Bevölkerung in Anspruch und entzog mithin so viele der produktiven Arbeit.“
    „Mir dämmert die Erkenntnis, wie Sie zu Ihrem größeren Reichtum kommen“, sagte ich.
    „Entschuldigen Sie“, versetzte Doktor Leete, „aber noch können Sie das schwerlich ganz verstehen. Die von mir bis jetzt aufgezählten Ersparnisse an Arbeit und Material mögen vielleicht zusammengenommen einer Steigerung Ihrer jährlichen Gesamtproduktion um die Hälfte gleichkommen. Allein sie verdienen kaum Erwähnung im Vergleich zu der bei uns vermiedenen ungeheuren Verschwendung, die unvermeidlich war, solange die nationale Gütererzeugung den Händen von Privatunternehmen überlassen blieb. Hätten Ihre Zeitgenossen ihren Verbrauch auch noch so stark eingeschränkt, wären die Fortschritte der mechanischen Erfindungen noch so wunderbare gewesen: nie würde sich die Gesellschaft aus dem Sumpf der Armut emporgearbeitet haben, solange sie an der Ordnung der privaten Gütererzeugung festhielt.
    Man hätte gar keine größere Verschwendung in der Nutzbarmachung menschlicher Arbeitskraft ersinnen können als diese Ordnung. Zur Ehre des menschlichen Verstandes darf nicht vergessen werden, daß sie überhaupt nicht erdacht worden ist, sondern lediglich ein Überbleibsel aus jenen kulturarmen Zeiten war, in denen der Mangel einer einheitlichen gesellschaftlichen Organisation jede Art des genossenschaftlichen Zusammenwirkens unmöglich machte.“
    „Ich will gern zugestehen, daß unsere Wirtschafts ordnung ethisch betrachtet herzlich schlecht war“, sag te ich. „Allein von ihrem moralischen Wert abgesehen erschien sie uns ganz bewunderungswürdig als bloße Maschine zur Erzeugung von Reichtümern.“
    „Wie bereits bemerkt“, antwortete der Doktor, „können wir diese umfassende Frage jetzt nicht eingehend erörtern. Wenn es Sie jedoch wirklich interessiert, unsere wichtigsten Einwände gegen Ihre Wirtschaftsordnung kennenzulernen, so kann ich einige davon kurz andeuten. Vier Arten großer Verluste vor allem hatten ihre Wurzel darin, daß die Produktion unverantwortlichen Privatunternehmern überlassen blieb, von denen jeder auf eigene Faust ohne jede Verständigung mit den anderen handelte. Erstens die Verluste bei verfehlten Unternehmungen. Zweitens die Verluste infolge der Konkurrenz und der gegenseitigen Feindschaft aller Gewerbe- und Handeltreibenden. Drittens die Verluste durch periodische Überproduktion und Krisen mit ihren unvermeidlichen Folgeerscheinungen: Stockungen von Handel und Wandel. Viertens die Verluste dadurch, daß jederzeit Kapital und Arbeitskraft brach liegen blieb. Das Vorhandensein eines dieser vier großen Löcher in der gesellschaftlichen Wirtschaft würde hinreichen, eine Nation zur Armut zu verurteilen, auch wenn die drei übrigen Löcher gar nicht vorhanden gewesen wären.
    Beginnen wir mit den Verlusten infolge verfehlter Unternehmungen. Da zu Ihrer Zeit Produktion und Konsumtion einer einheitlichen Regelung ermangelten, so konnte man unmöglich feststellen, wie groß für einen bestimmten Artikel das Angebot und wie groß die Nachfrage war. Daher war bei jedem Unternehmen eines Privatkapitalisten der Erfolg immer ein zweifelhafter. Es fehlte dem Manne der Überblick über die gesamte Produktion und Konsumtion, wie ihn unsere Verwaltung heute hat. Er konnte daher nie genau wissen, welches die Bedürfnisse der Konsumenten waren, und was andere Kapitalisten unternommen hatten, um sie zu befriedigen. Angesichts dieser Lage der Dinge darf es uns durchaus nicht verwundern, daß bei jedem Geschäftsunternehmen die Möglichkeiten eines Mißerfolgs viel größer waren als die Aussichten auf Erfolg. Leute, denen schließlich das Glück lächelte, hatten gewöhnlich vorher zu wiederholten Malen unglücklich spekuliert. Ein Schuhmacher, der immer erst beim Zuschneiden das Leder für vier oder fünf Paar Schuhe verdirbt, ehe er ein Paar fertig bringt, hätte – von der verlorenen Arbeitszeit abgesehen – ungefähr die gleiche Aussicht, reich zu werden, wie Ihre Zeitgenossen sie hatten. Bei ihrer privatkapitalistischen Produktionsordnung kam auf vier bis fünf

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