Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
fehlgeschlagene Unternehmungen durchschnittlich nur je eine erfolgreiche.
Der Konkurrenzkampf verursachte weitere höchst beträchtliche Verluste. Das Wirtschaftsleben Ihrer Zeit glich einem Schlachtfelde, das sich über die ganze Welt hin ausdehnte. Hier vergeudeten die Arbeiter im Kampfe der Konkurrenten untereinander Kräfte, die bei einem einheitlichen, planmäßigen Zusammenwirken wie heutzutage hinreichend gewesen wären, Reichtum für alle zu schaffen. Von Gnade und Schonung war in diesem Kriege keine Rede. Wenn ein Kapitalist nach einem wohlerwogenen Plan in ein Geschäftsgebiet eindrang und die Unternehmen aller zugrunde richtete, die es bisher beherrscht hatten, um auf den Trümmern sein eigenes Unternehmen aufzubauen, so ward sein Erfolg unfehlbar und allgemein als große Tat bewundert. Bedenkt man die Seelenpein und die körperlichen Leiden, die dieses Ringen im Gefolge hatte, das Elend, dem die besiegten Unternehmer nebst den von ihnen Abhängigen preisgegeben waren: so erscheint ein Vergleich zwischen dem Konkurrenzkampf und dem wirklichen Kriege durchaus nicht gesucht und übertrieben. Nichts in Ihrem Zeitalter ist uns Neueren im ersten Augenblick unbegreiflicher als die Tatsache, daß Menschen, die in ein und demselben Wirtschaftsgebiet tätig waren, sich nicht brüderlich als Kameraden und Mitarbeiter an einem gemeinsamen Werk die Hand reichten, sondern einander als Feinde und Nebenbuhler betrachteten, die sich gegenseitig erwürgen und vernichten mußten. Das dünkt uns der reinste Wahnsinn, ein Leben wie im Tollhaus! Allein bei näherer Beobachtung stellt es sich als etwas ganz anderes heraus. Ihre Zeitgenossen wußten recht gut, was sie taten, wenn sie einander den Hals abschnitten. Die Unternehmer des neunzehnten Jahrhunderts arbeiteten nicht wie die Produzenten des zwanzigsten Jahrhunderts gemeinschaftlich für den Unterhalt der Gesamtheit, sondern jeder von ihnen arbeitete allein für sich und für seinen eigenen Unterhalt auf Kosten der Gesamtheit. Es war der bloße Zufall, wenn der einzelne, der auf dieses Ziel lossteuerte, gleichzeitig auch den Nationalreichtum vermehrte. Ebenso leicht und häufig ereignete es sich, daß der einzelne sein Vermögen durch Praktiken vergrößerte, die das Gemeinwohl schädigten. Die schlimmsten Feinde jemandes waren notwendigerweise alle, die das nämliche Gewerbe betrieben wie er. Denn da Ihre Wirtschaftsordnung den Privatvorteil zur Triebfeder der Gütererzeugung machte, so wünschte jeder einzelne Unternehmer, daß der von ihm hergestellte Artikel so selten wie möglich sei. In seinem Interesse lag es, daß nicht mehr davon produziert werde, als er selbst erzeugen konnte. Sein beständiges Streben war darauf gerichtet, soweit die Verhältnisse es gestatteten, dieses, Ziel zu erreichen, indem er seine Konkurrenten niederschlug oder ihnen den Mut benahm, in dem Erwerbszweig weiterhin tätig zu sein. Hatte er alle Nebenbuhler, die er vernichten konnte, aus dem Felde geschlagen, so bestand seine Politik darin, sich mit denen zu verbinden, die er nicht zu besiegen vermochte; ihr Kampf gegeneinander verwandelte sich dann in einen gemeinsamen Kampf gegen die Verbraucher. Die früheren Konkurrenten bildeten zu diesem Zwecke einen Ring, wie man es wohl nannte, der die Preise so hoch emporschraubte, als die Käufer sie nur irgendwie erschwingen konnten, ehe sie ganz auf die Ware verzichteten. Der Herzenswunsch eines Kapitalisten des neunzehnten Jahrhunderts ging dahin, die Herstellung eines unentbehrlichen Artikels allein in der Hand zu haben, so daß er die Verbraucher an der Grenze des Mangels halten und für seine Waren Teuerungspreise erzielen konnte. Dies nannte man im neunzehnten Jahrhundert eine Produktionsordnung! Herr West, entscheiden Sie selbst, ob es nicht in vieler Beziehung eine Produktionsunordnung war, eine Hemmung der Produktion. Wenn wir einmal viel freie Zeit haben, werde ich Sie ersuchen, mir etwas zu erklären, was ich trotz allen Nachdenkens und Studierens nie zu begreifen vermochte: Ihre Zeitgenossen waren doch offenbar in vieler Hinsicht schlaue Leute; wie konnten sie sich da einfallen lassen, die Sorge für den Unterhalt der Gesamtheit einer Klasse anzuvertrauen, die alles Interesse daran hatte, daß die Gesamtheit Mangel litt, ja buchstäblich ausgehungert wurde? Ich versichere Sie, wir wundern uns keineswegs darüber, daß die Gesellschaft bei einer derartigen Produktionsordnung nicht reich wurde, sondern nur, daß sie dabei nicht an
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