Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
nur durch Kauf und Verkauf befriedigt werden konnten, war auch das Geld unumgänglich notwendig. Gegen den Gebrauch des Geldes konnte offenbar eingewendet werden, daß es für Nahrungsmittel, Kleider und andere Gebrauchsgegenstände einen Stellvertreter setzte, dessen Wert lediglich auf Übereinkommen beruhte. {18} Dadurch ward eine Begriffsverwirrung zwischen den Gegenständen und ihrem bloßen Stellvertreter begünstigt, die zu Ihrem Kreditwesen und seinem ungeheuren Truge führten. Einmal daran gewöhnt, Geld für Waren anzunehmen, nahm man dann Versprechungen für Geld an und hörte ganz auf, hinter dem Stellvertreter den vertretenen Gegenstand zu suchen. Geld war ein Zeichen für wirkliche Waren, der Kredit war aber bloß ein Zeichen für ein Zeichen. Für Gold und Silber, das heißt für das wirkliche Geld, gab es eine natürliche Grenze, für den Kredit dagegen nicht. Die Folge davon war, daß der Kredit einen Umfang annahm, der nicht mehr in irgendeinem bestimmt festzustellenden Verhältnis zum wirklich vorhandenen Geld stand, geschweige denn zu den vorhandenen Waren. Unter einer solchen Wirtschaftsordnung mußten häufige, periodisch wiederkehrende Krisen mit derselben Naturnotwendigkeit eintreten, mit der ein Gebäude zusammenstürzt, dessen Schwerpunkt außerhalb seiner Unterstützungsfläche liegt. Zwar bildete man sich ein, daß nur die Regierungen und die von ihnen ermächtigten Banken Geld emittierten, in Wirklichkeit aber ward dies von jedermann emittiert, der auch nur für einen Dollar Kredit gewährte. Trug er doch dadurch dazu bei, die Geld- und Warenzirkulation künstlich zu steigern, bis die nächste Krise hereinbrach. Die gewaltige Ausdehnung des Kreditverkehrs bildet ein Merkmal der letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts und erklärt zu einem guten Teil die fast unaufhörlichen Krisen jener Zeit. So gefährlich auch der Kredit war, so konnten Sie ihn doch nicht entbehren. Da für das Kapital Ihres Landes keine nationale oder sonstige öffentliche Organisation existierte, so blieb er Ihr einziges Mittel, Kapital zu konzentrieren und zu den wirtschaftlichen Unternehmungen heranzuziehen. Auf diese Weise steigerte er ganz gewaltig die Hauptgefahr, die mit der kapitalistischen Produktionsordnung verbunden war: er ermöglichte den einzelnen Industriebetrieben, unverhältnismäßig große Summen des verfügbaren Kapitals im ganzen Lande aufzusaugen, und bereitete dadurch einen Zusammenbruch vor. Infolge des üblichen Kredits legten die Unternehmer in ihren Geschäften stets sehr viel fremdes Geld an, das sie voneinander, von Banken und einzelnen Kapitalisten entlehnten. Da man beim ersten Anzeichen einer Krise den Kredit schnell zurückzuziehen pflegte, so kam diese dadurch gewöhnlich nur um so schneller zum Ausbruch.
Es war das Verhängnis Ihrer Zeitgenossen, daß sie den Bau ihres Wirtschaftslebens mit einem Mörtel zusammenfügten, den ein Zufall jeden Augenblick in einen Sprengstoff verwandeln konnte. Sie befanden sich in der Lage eines Mannes, der ein Haus mit Dynamit baut, denn nur damit läßt sich der Kredit vergleichen.
Wenn Sie sich davon überzeugen wollen, wie unnötig die Erschütterungen des Wirtschaftslebens durch Krisen waren, und daß diese einzig und allein von der zersplitterten, ungeregelten kapitalistischen Produktion in den Händen einzelner Unternehmer erzeugt wurden, so stellen Sie ihr unsere Ordnung und ihren Gang gegenüber. Eine Überproduktion in einzelnen Industriezweigen, das furchtbare Schreckgespenst ihrer Zeit, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Durch die Regelung der Verteilung und der Produktion richtet sich das Angebot so genau nach der Nachfrage wie der Gang der Maschine nach dem Regulator. Aber nehmen wir sogar an, daß ein Irrtum in der Vorberechnung eine zu starke Produktion von irgendeinem Gute bewirkt hätte. Niemand verliert sein Brot, wenn in der Folge davon die Herstellung dieses Gegenstandes eingeschränkt oder auch ganz eingestellt wird. Die betreffenden Arbeiter finden sofort in anderen Abteilungen der ungeheuren nationalen Produktionswerkstatt Beschäftigung, und sie verlieren nur die Zeit, die der Übergang zu dem neuen Gewerbe erfordert. Was schadet bei uns Überfüllung des Marktes? Unser Wirtschaftsleben ist kräftig genug, daß die Nation jede Menge eines über den Bedarf hinaus erzeugten Artikels so lange auf Lager behalten kann, bis die Nachfrage das Angebot eingeholt hat. In dem angenommenen Falle der Überproduktion gerät bei uns
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