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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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nicht wie bei Ihnen eine ganze komplizierte Maschinerie in Unordnung, so daß der erste Fehler noch tausendmal vergrößert wird. Da wir kein Geld haben, so gibt es bei uns natürlich erst recht keinen Kredit. Alle unsere Berechnungen beziehen sich unmittelbar auf wirklich vorhandene Dinge: auf Mehl, Eisen, Holz, Wolle und Arbeit zum Beispiel, an deren Stelle bei Ihnen Geld und Kredit in so irreführender Weise traten. Bei unseren Kostenanschlägen können keine Fehler unterlaufen. Was für den Unterhalt des Volkes notwendig ist, das wird aus dem jährlichen Produktionsergebnis entnommen; es werden die Arbeiten angeordnet, die für die Deckung des Bedarfs im nächsten Jahre erforderlich sind. Der Überschuß an Arbeit und Material kann getrost zu Verbesserungen verwendet werden. Wenn die Ernte schlecht ausfällt, so ist der Überschuß dieses Jahres ein geringerer als gewöhnlich, und das ist alles. Abgesehen von den gelegentlichen geringfügigen Wirkungen natürlicher Ursachen, wie Mißwachs, gibt es bei uns keine Schwankungen im Wirtschaftsleben. Der materielle Wohlstand der Nation fließt ununterbrochen, unaufhaltsam von Geschlecht zu Geschlecht, ein sich stetig erweiternder und vertiefender Strom.
    Wie jeder andere der von mir bereits berührten Wesenszüge Ihrer Ordnung, Herr West“, fuhr der Doktor fort, „so bedeuteten auch die Krisen für sich allein schon eine so riesenhafte Verschwendung des nationalen Reichtums, daß Ihre Zeitgenossen dauernd in Armut leben mußten. Doch habe ich als Ursache dafür noch einen weiteren Umstand zu erwähnen: das Brachliegen eines großen Teils Ihres Kapitals und Ihrer Arbeitskraft. Unsere Verwaltung hat die Aufgabe, auch dem winzigsten Teil Kapital oder Arbeitskraft im Lande eine beständige Verwendung zu sichern. In Ihren Tagen waren weder das Kapital noch die Arbeit einer einheitlichen Leitung unterstellt, deshalb blieb ein beträchtlicher Bruchteil des einen wie der anderen unbeschäftigt. ‚Das Kapital ist von Natur furchtsam’, so pflegten Sie zu sagen. Und gewiß, es wäre leichtsinnig gewesen, hätte es sich nicht in einer Zeit furchtsam gezeigt, in der die Aussicht auf den Mißerfolg jedes geschäftlichen Unternehmens größer war als die Möglichkeit des Gelingens. Wenn nur die nötige Sicherheit vorhanden gewesen wäre, so hätte das in der industriellen Produktion angelegte Kapital jederzeit bedeutend vergrößert werden können. So aber war die in der Industrie angelegte Menge von Kapital beständig außerordentlichen Schwankungen unterworfen, je nachdem die Geschäftslage für mehr oder minder sicher galt. Das Ergebnis der Landesproduktion war denn auch in den einzelnen Jahren außerordentlich verschieden. Der nämliche Grund, der in Zeiten besonders großer Unsicherheit weit weniger Kapital anlegen ließ als in Zeiten etwas größerer Sicherheit, bewirkte aber überdies, daß sehr beträchtliche Kapitalien überhaupt stets unbeschäftigt blieben. Sogar in den besten Zeiten war eben das Risiko sehr groß. Auch noch eine andere Folge der aufgezeigten Verhältnisse machte sich geltend. Eine große Menge von Kapital stürzte sich stets dorthin im Wirtschaftsleben, wo einigermaßen sicherer Gewinn zu winken schien. Natürlich ward an solchen Stellen der Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Kapitalisten beträchtlich bitterer und furchtbarer. Das Brachliegen des furchtsamen Kapitals zog selbstverständlich ein Brachliegen von Arbeitskraft in entsprechendem Umfang nach sich. Weiterhin machten jede Veränderung des Produktionsbetriebs, jede leiseste Schwankung, jeder geringfügigste Umschwung in der Lage von Industrie und Handel beständig eine große Menge Menschen auf Wochen, Monate, ja Jahre hinaus brotlos. Von den fast unzähligen Bankrotten nicht zu reden, die auch in den besten Zeiten alljährlich stattfanden. Eine große Anzahl Arbeitsloser durchzog fortwährend das Land, Beschäftigung suchend. Die Brotlosen, Heimatlosen verwandelten sich mit der Zeit in Vagabunden, dann vielleicht in Verbrecher. ‚Gebt uns Arbeit!’ so tönte fast jederzeit der Schrei einer wahren Armee Arbeitsloser. In Perioden geschäftlichen Niedergangs s chwoll ihre Menge zu einem gewaltigen und verzweifelten Heerhaufen an, der die Regierung selbst bedrohte. Herr West, Sie behaupteten, daß die kapitalistische Produktionsordnung ein wirksames Mittel war, die Nation reich zu machen. Betrachten wir sie unter diesem Gesichtswinkel. Kann es da einen schlagenderen Beweis für ihren

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