Ein Schlag ins Herz
erwiderte die Geste leicht gezwungen. Jörg, der Deutsche, faltete einen schwarzen Anzug auseinander. Er hatte ein kantiges Gesicht, eine Adlernase, eine überhebliche Miene und eine gerade Haltung. Jede Uniform hätte ihm perfekt gestanden. Sandrine hatte seine kontrollierten Bewegungen, die Exaktheit und Konzentration, schon früher beobachtet und festgestellt, dass der Mann ein geborener Soldat war. Und das war auch absolut nicht verkehrt. Er hatte als Fallschirmjäger gedient, und zu seinen Hobbys zählte das Freitauchen: Am Seil hatte er es ohne Sauerstoffgerät bis in sechzig Meter Tiefe geschafft.
Geir, der Norweger, zog sich ebenfalls einen dunklen Anzug an. Jochem knöpfte sich gerade das weiße Hemd zu.
»Vielleicht können wir uns nach dieser Aktion als Bilderberg-Sicherheitsleute bewerben«, grinste Geir mit Blick auf Jochems Outfit.
Sandrine war an Geirs gepflegtes Äußeres gewöhnt, aber Jochem sah im schwarzen Anzug verblüffend repräsentativ aus. Die Ärztin überraschte sich selbst bei demGedanken, dass es dem Mann zweifellos guttat, zur Abwechslung aus dem Dschungel herauszukommen.
Das Warten, das Essen aus der Dose und die kargen Wasserrationen hatten Sandrine ungeduldig werden lassen, sie wollte endlich aktiv werden. Ohne etwas zu sagen, fing sie an, sich die schwarz-weißen Kleider anzuziehen, denen etwas Bügeln nicht geschadet hätte.
Sie bemerkte, dass Jörg ein grünes Barett in die Innentasche seines Sakkos steckte. »Das setze ich auf, wenn es losgeht«, sagte er, als er Sandrines Blick bemerkte.
Von dem Hotelbetrieb unter ihnen drang nur das Sirren des Aufzugmotors bis auf den Dachboden. Aber dieses Geräusch war an diesem Morgen ständig zu hören.
Sandrines Handy gab ein Signal. Die SMS kam von Max und Flora, die wenige hundert Meter entfernt vor der Einfahrt standen.
Alles okay hier. Zwei Wächter wollten uns vertreiben, aber sie können nichts gegen uns tun.
Alles schien bereit für eine Demonstration gegen die Globalisierung, wie es sie noch nie gegeben hatte.
Kurz darauf bemerkte Sandrine, dass das Display ihres Handys blinkte. Sie erkannte den Anrufer und meldete sich.
»Ja, Patrik?«
Für einen Moment hörte man nur das Rauschen des Windes, dann erst Patriks Stimme: »Ich habe zwei Spezialisten den Obduktionsbericht gezeigt. Du hättest Beate retten können. Wir sehen uns vor Gericht.«
Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
Sandrine kam die Galle hoch, aber sie riss sich zusammen.
Die Räder des landenden Learjets setzten sanft auf der Landebahn des Småland Airports in Växjö auf. Die heißen Abgase der Düsenmotoren der aus Washington D.C. kommendenGulfstream ließen die Luft vor dem strahlend blauen Himmel flimmern. Nachdem sie ihre Geschwindigkeit ausreichend reduziert hatte, bog die Maschine in Richtung Terminal ab, vor dem sich sofort ein großer schwarzer Volvo in Bewegung setzte.
Flugzeug und Auto hielten auf gleicher Höhe an. Ein Stück entfernt standen bereits zwei weitere Learjets. Die Gulfstream stellte die Motoren ab, und eine kleine Gangway wurde herabgelassen. Dem Volvo entstieg ein Chauffeur, der geschwind eine der hinteren Wagentüren öffnete.
Drei Männer in Anzügen stiegen, sich unterhaltend, aus der Maschine: Frank Taylor, die rechte Hand von Steve Ballmer, dem Chef von Microsoft, Georg D. Sachar, der Vizedirektor der Zentralbank der Vereinigten Staaten, sowie David Pearson, der Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama. Sie begrüßten den Chauffeur, der umgehend ihr Gepäck in den Kofferraum lud.
Als der Volvo auf die Ausfahrt neben dem Terminal zufuhr, landete bereits der nächste Learjet. Der Volvo setzte seinen Weg über einen Parkplatz zur Landstraße fort, die durch die schwedische Landschaft führte, vorbei an welligen Getreidefeldern, Laubwaldinseln und roten Holzhäusern.
Der schwarze Hundeschwanz stieß eines der akkurat komponierten Blumenarrangements um. Rasch eilte eine Angestellte des Hotels Jaeger Skärgården herbei und stellte das Gebinde wieder an seinen Platz, nicht ohne dem Herrchen des Labradors einen strengen Blick zuzuwerfen. Der Mann hatte das Missgeschick jedoch nicht einmal bemerkt und setzte seine Arbeit mit dem Sprengstoffhund an der Leine in der Hotellobby fort.
Anschließend führte er den Hund in einen großen Saal mit außergewöhnlich festlich gedeckter Tafel, über derdrei riesige Kristalllüster hingen. In der Mitte des Raums hielt der Restaurantchef eine glänzende silberne Gabel
Weitere Kostenlose Bücher