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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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ganzen Welt, hohe Beamte, Bankiers, Wirtschaftswissenschaftler, Spitzenleute aus der Industrie und Chefredakteure aus den Vereinigten Staaten und aus Europa.
    Max, der inmitten der lautstarken Aktivistenschar ruhig blieb, legte den Stapel mit Flugblättern auf die Erdeund griff nach seinem Fernglas. Er visierte ein kleines, kaum erkennbares Dachfenster an.
     
    Sandrine beobachtete vom Dachfenster aus, wie der Kleinbus vor dem Hoteleingang hielt. Vier Männer stiegen aus.
    »Sands, Packer, Rogers, Pollard«, flüsterte sie. »Die komplette Spitze der amerikanischen Ölindustrie   …«
    Herman zischte und legte den Finger auf die Lippen. Von Minute zu Minute wirkte er angespannter. Das wunderte Sandrine – ein Söldner musste doch schon in viel schlimmeren Situationen gewesen sein.
    Es wurde still auf dem Dachboden. Wie Herman war auch Jochem im Stil der Sicherheitsleute des Hotels gekleidet: dunkler Anzug, weißes Hemd, dezente Krawatte, glänzende Schuhe und Ohrhörer mit Spiralkabel. Geir und Jörg hingegen trugen die violette Uniform mit Stehkragen wie das Personal, samt Namensschildern mit Strichcode.
    Sandrine sah auf die Uhr und prüfte, ob der Fernzünder bereit war. Sie wollte Herman und seinen Männern nicht im Weg sein, wenn sie ihren Auftrag erledigten, aber sie wollte diejenige sein, durch die letzten Endes die Botschaft übermittelt wurde.

16
    Patrik versuchte, sich möglichst schnell auf dem nassen, jäh krängenden Deck zu bewegen. Der Wind war im Verlauf des Morgens immer stärker geworden, er blies warm unter dem Gewitterhimmel. Das Boot geriet auf einen Wellenkamm und fiel gleich danach wieder in die weiße Gischt.
    »Allmählich wird die Zeit knapp«, rief Bronislaw Dominik zu, der am Ruder saß und gerade nach vorn aufs Meer schaute. Bronislaw war der Sonderling der Truppe, ein ehemaliger Unternehmer, der in der Nähe von Gdansk eine karge Jugendzeit verlebt und, seinen eigenen Worten zufolge, erst im mittleren Alter und als wohlhabender Mann die Erweckung zum Umweltschützer erfahren hatte, die bald sehr konkrete Formen annahm: Er wurde Vegetarier und nahm innerhalb eines Jahres mehr als dreißig Kilo ab. Inzwischen sah der schmalgesichtige, bärtige Mann aus, als hätte er sein ganzes Leben auf einer einsamen Insel verbracht.
    »Wir müssen lavieren, sonst treiben wir am Ziel vorbei«, rief er und sah auf die Uhr.
    Patrik blickte auf die schäumende See und begriff erst jetzt, wie groß das Risiko wirklich war, das sie eingingen. Außerdem fühlte er sich fremd unter den Männern.
    Er wurde zunehmend unzufriedener mit sich und unsicherer, was seine Entscheidung betraf, aber die Bedeutung der Aktion trieb ihn voran.
    Die Menschen mussten verstehen, dass es unhaltbar war, Atommüll in den Erdboden zu stopfen, zumal die Planungen nur auf einer Kette von Annahmen beruhten. Man ging davon aus, dass eine Kapsel mit atomarem Müll hunderttausend Jahre unversehrt blieb. Man nahm an, dass Kupfer der Korrosion hervorragend standhielt. Man ging ebenso davon aus, dass das Grundwasser in dem atomaren Abfallgrab zehn Jahre nach dem Verschluss sauerstofflos wäre und es auch bliebe. Und schließlich nahm man an, dass nicht einmal eine äußere Temperatur von hundert Grad Auswirkungen auf den Betonitlehm, der die Kapsel umgab, haben würde.
    Dabei hatte man schon jetzt herausgefunden, dass destilliertes Wasser Kupfer angriff. Die Korrosion ging ungefähr so schnell voran wie in sauerstoffhaltigem Wasser, wenn man den Wasserstoff, der bei der Reaktion entstand, aus dem System entweichen ließ. Man wusste auch, dass im Grundgestein lebhafte Bakterienaktivität herrschte und sich die chemischen Voraussetzungen im Fels verändern konnten. Die Korrosion des Kupfers konnte sich wegen der Bildung von Sulfiten und Wasserstoff beschleunigen. Daher bestand die Möglichkeit, dass die Kupferkapseln schon bei einigen hundert Jahren Lagerung beschädigt wurden.
    »Reffen!«, rief Bronislaw den andern Männern zu.
    Patrik und Bruno fingen sofort an, die Segelfläche zu verkleinern. Dominik drehte das Ruder, und die Männer, die an Deck saßen, duckten sich schnell, weil der Baum des Großsegels über ihren Köpfen hinweg auf die andere Seite schwang.
    »Drei Mann ausreiten!«, brüllte Bronislaw.
    Patrik begab sich mit Konstantins und Andrus schnell auf die andere Seite, sie lehnten sich über den Rand hinaus, und das Boot fing an, sich zu drehen.
     
    In dem schimmernden großen Saal herrschte lebhaftes Stimmengewirr.

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