Ein Schlag ins Herz
Atommülltransporte sprechen.«
Patrik sah, wie Dominik ihn musterte. In seinem Rücken spürte er die Nervosität der anderen Männer.
»Du hast einem Außenstehenden von unserem Plan erzählt?«, fuhr Dominik ihn an.
»Natürlich habe ich kein Wort von dem Plan gesagt. Ich wollte mich nur versichern, dass alle Fakten, die du uns präsentiert hast, auch stimmen. Die anderen und ich,wir waren bis jetzt ausschließlich auf deine Informationen angewiesen.«
»Zweifelst du etwa an mir?«
»Habe ich nicht das Recht dazu? Das Projekt ist gefährlich. Auf dem Meer kann alles Mögliche passieren.«
»Und was hast du herausgefunden?«
»Die Risiken sind zu hoch. Auf der
Sigyn
kann es Sicherheitsvorkehrungen geben, von denen wir nichts wissen. Oder der Kapitän macht eine falsche Steuerbewegung. Wenn das Timing nur ein klein wenig abweicht, kann uns das Schiff zermalmen.«
»Genau deshalb hättest du beim letzten Training dabei sein müssen«, zischte Dominik. »Wenn jemand die Aktion gefährdet, dann du.«
Patrik scherte sich nicht um Dominiks Ausbruch. Du verlogener Scheißkerl, hätte er ihm am liebsten ins Gesicht geschrien.
»Es kann auf dem Schiff Sicherheitsleute geben, die durchaus bereit sind, zu extremen Mitteln zu greifen, wenn sie die Lage als bedrohlich empfinden. Davon hast du nichts gesagt. Vielleicht wolltest du uns auch nicht alles sagen.«
»Es ist vollkommen klar, dass die Aktion mit Risiken verbunden ist«, meinte Dominik etwas versöhnlicher. »Aber man bekommt nichts umsonst. Ich vertraue unserem Team. Hauptsache, wir sind jetzt wieder alle beisammen. Der Wind frischt auf, wir müssen bald los. Lass uns mit den Vorbereitungen weitermachen.«
Dominik wandte sich ab, Patrik stand da und fragte sich, was er tun sollte.
»Der gesamte Plan ist auf fünf Männer ausgelegt«, sagte eine Stimme neben ihm. Es war Andrus. »In so kurzer Zeit finden wir für dich keinen Ersatz.«
»Bestimmte Dinge haben mich von Anfang an gestört.«
»Zum Beispiel?«
Patrik überlegte einen Moment. »Zum Beispiel die Boote. Wo hat Dominik das Geld für die Ausrüstung her?«
Andrus seufzte. »Von kriminellen Aktionen.«
»Das dachte ich mir.«
»Ich dürfte dir das eigentlich nicht erzählen«, sagte Andrus leise. »Aber ich will nicht, dass du Dominik etwas vorwirfst, was er nicht getan hat. Nicht er hat das Geld beschafft, sondern ich.«
Patrik schwieg. In gewisser Weise war die Information logisch und überraschte ihn nicht sonderlich, denn in Andrus steckte deutlich mehr, als seine Erscheinung vermuten ließ.
»Mein Vater war Ende der Achtzigerjahre für die Umwelt Estlands aktiv«, sagte Andrus. »Er kämpfte schon damals gegen die russischen Fabriken mit ihren wahnsinnigen Emissionen. Ein estlandrussischer Geschäftsmann namens Voronin, der im Metallhandel tätig war, verriet ihn jedoch. Eines Nachts wurde mein Vater vom KGB abgeholt. Seitdem haben meine Mutter und ich ihn nicht mehr gesehen. Aber Voronins Geschäft blühte. In den Neunzigerjahren besaß er ein Areal in der Nähe von Narva, wo Kupfer, Aluminium, Kobalt und Gold gelagert wurden. Ich war sechsundzwanzig Jahre alt, als ich mit zwei Freunden dort einbrach. Das Gold brachten wir in kleinen Partien nach Schweden und Finnland, und ich hatte deswegen noch kein einziges Mal ein schlechtes Gewissen. Jeder Cent ist sinnvoll genutzt worden. Die Boote und die Ausrüstung sind mit diesem Geld angeschafft worden.«
Patrik wusste, dass er eine Entscheidung treffen musste. Entweder ging er jetzt seiner Wege und kehrte nie mehr zu der Gruppe zurück – auch wenn er eine medienwirksame Attacke auf die
MS Sigyn
für wichtig hielt und bereitwar, Risiken einzugehen, um die Menschen aufzurütteln und für das Atommüllproblem zu sensibilisieren. Oder aber er würde so lange mitmachen, bis er herausgefunden hätte, was der Grund für Beates Verhalten gewesen war. Und Dominik, so widerlich es sich auch anhörte, konnte der Schlüssel sein. Kehrte Patrik der Gruppe jetzt den Rücken, blieb ihm Beates Geheimnis womöglich für immer verborgen.
»Gehen wir«, sagte Patrik zu Andrus und lief ohne weitere Erklärungen zum Bootssteg.
15
Auf dem heißen Dachboden flimmerte der Staub im Licht der Sonne vor dem kleinen Fenster.
Sandrine holte tief Luft. Je näher die Stunde X rückte, desto sicherer war sie sich ihrer Sache. Sie warf einen Blick auf Herman, der sich auf seiner schmalen Schlafunterlage aufsetzte und mit ernstem Blick den Daumen hob.
Sandrine
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