Ein Schlag ins Herz
ihre Anspannung zu verbergen.
Herman nickte. Sie gingen in ein leeres Zimmer der Villa.
»Die zweite Rate«, sagte Sandrine schlicht und reichte ihm einen Umschlag.
Herman zählte routiniert die Fünfhunderteuroscheine.
»Was wirst du anschließend tun?«, fragte Sandrine. »Kehrst du zu deinem Sohn nach Karatschi zurück?«
Herman unterbrach das Zählen der Scheine. Eine leichte Unsicherheit zeigte sich auf seinem Gesicht. »Ich werde Daniel anderswohin bringen. Nach Südafrika oder nach Brasilien.«
»Das ist bestimmt vernünftig«, sagte Sandrine, obwohl sie lieber widersprochen hätte. Sie selbst hatte die Privatschule St Georges in Clarens in der französischen Schweiz besucht. Der Ort am Genfer See, nahe Montreaux, war ein kleines Paradies gewesen, aber trotzdem hatte sie lange Zeit Sehnsucht nach zu Hause und ihren Eltern gehabt –bis die Kluft so groß geworden war, dass sie beschloss, alleine im Leben zurechtzukommen.
Über den Jungen zu sprechen schien Herman schwerzufallen. Wenn es bei ihm einen wunden Punkt gab, dann war es Daniel. Sandrine wusste, wie viel der Junge seinem Vater bedeutete.
»Es ist sicherlich eine gute Lösung, Daniel so schnell wie möglich von Pakistan wegzubringen«, sagte sie.
Herman zählte die Scheine zu Ende, öffnete die Tür und verließ den Raum ohne ein Wort.
Sandrine verwünschte sich selbst. Sie hätte nicht den Eindruck entstehen lassen dürfen, dass sie Daniels Sicherheit infrage stellte. Herman konnte bezüglich seiner Art, Daniels Angelegenheiten zu regeln, nicht die geringste Kritik ertragen.
Sie ging nach draußen und setzte sich ans Steuer des Range Rover, um Herman und seine Männer zurück in die Nähe des Hotels Jaeger Skärgården zu bringen.
Ohne sich zu beeilen, so, als würde er die maritime Landschaft bewundern, spazierte Herman über die Zufahrt zur Rückseite des Hotels und ging über die Terrasse hinein. Mit Blick auf die Uhr stieg er die Treppe bis zur obersten Etage hinauf, nahm seine Golftasche, die noch bei der Sitzgruppe stand, und ging dann, wie er es vorab ausgekundschaftet hatte, in einen Seitengang, wo Geir mit dem Dietrich eine Tür aufgesperrt hatte.
In der kargen Dachkammer wurden zusammenklappbare Zusatzbetten, Wolldecken und große Packungen mit W C-Papier aufbewahrt. Herman schob sich daran vorbei zu einer Leiter und kletterte behände zur Dachluke hinauf. Der Golfsack war sogar für ihn schwer, denn er enthielt neben den Schlägern auch Wasser und Lebensmittel für mehrere Tage.
Durch die Luke gelangte er auf einen Dachboden, wo Herman auf seine Gefährten wartete. Als Letzte sollte auch Sandrine kommen. Am nächsten Tag würden die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma, die für den reibungslosen Ablauf der Bilderberg-Konferenz zuständig war, das Hotel bevölkern. Zwei Tage lang würden sie das Haus für die Konferenz sicherheitstechnisch prüfen und nicht benötigte, durchsuchte Räume versiegeln. Sprengstoffhunde würden alles absuchen, auch das Gelände rund um das Hotel. Sämtliche Teilzeitkräfte hatte man für einige Tage in Urlaub geschickt.
14
Patriks Handy vibrierte in der Tasche.
Dominik
.
Schon wieder.
Patrik meldete sich nicht. Wusste oder ahnte Dominik, wo er gewesen war? Hatte Dominik versucht, ihn daran zu hindern, Beates Eltern aufzusuchen, weil er befürchtete, die Wahrheit käme ans Tageslicht? Welche Wahrheit?
Eine Wolke schob sich vor die Sonne, die hoch über den Feldern vor dem Fenster stand. Patrik saß im Kustpilen-Zug von Linköping nach Västervik. In seinem Inneren herrschte Chaos. Warum hatte ihm Beate nicht die Wahrheit über Dominik gesagt? Warum wollte Dominik noch immer sein wirkliches Verhältnis zu Beate vertuschen? Und was für eine Beziehung war das eigentlich letzten Endes gewesen?
Patrik hörte sich die Nachricht an, die Dominik auf der Mailbox hinterlassen hatte. »
Wo bist du, verdammt?«,
sagte die zornige Stimme. »
Das letzte Training fängt bald an, willst du uns hängenlassen, oder was ist los?«
Patrik umklammerte wütend das Telefon. Wer ließ hier wen hängen?!
Er war bei der
Sigyn
-Aktion voll dabei und wollte, dass sie erfolgreich würde. Daher hatte er Dominik vorgeschlagen, Herman McQuinn zu engagieren. Zunächst hatte Dominik interessiert gewirkt, aber am nächsten Tag hatte er mitgeteilt, dass jede weitere Person ein Risiko wäre.Patrik war anderer Ansicht gewesen, aber Dominik hatte über das Thema nicht weiter diskutieren wollen.
Der Zug drosselte das Tempo, und
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