Ein schmutziges Spiel
Haufen zusammengefalteter Kartons in den Armen die Stufen zu meinem Büro hinauf.
»Miss Jaymie! Endlich sind Sie da. Sie …«
»Gabi, sehen Sie nicht, dass ich die Hände voll habe?« Durch die Fliegengittertür starrte ich ihr entgegen.
»Tut mir leid!« Gabi quetschte sich an mir vorbei, um mir die Tür aufzuhalten. »Was ist das?«
Ich schob mich hinein und stellte die Kartons an die Wand. »Im Auto sind noch mehr. Ich bin gleich wieder da.«
»Halt, das sieht aus … als wollten Sie umziehen.«
»Bin gleich wieder da«, wiederholte ich.
Als ich mit den übrigen Kartons aus dem gemieteten Honda zurück war, hatte Gabi Kaffee aufgesetzt. Zwei große Gebäckstücke, aus denen flüssige Schokolade sickerte, lagen auf zwei rosafarbenen Fiesta -Tellern.
»Miss Jaymie, bitte, setzen wir uns zusammen. Jetzt. Okay?«
Über den großen Schreibtisch hinweg musterten wir einander, Gabi in beherrschender Position (sie hatte ein neues Lieblingsbuch, Fühlbar sicher mit Feng Shui ), ich auf dem heißen Stuhl, wie Gabi den Besucherstuhl zu nennen pflegte.
»Sie waren fünf Tage nicht im Büro. Ich bin so froh, dass Sie endlich hier sind, weil inzwischen schon zwei Leute angerufen haben. Erst …«
»Gabi.« Ich stellte meine rosarote Tasse auf die rosarote Untertasse.
»Miss Jaymie, ehe Sie irgendetwas sagen …«
»Gabi? Ich zuerst.«
Ergeben ließ sie den Kopf hängen. »Sie sind der Boss.«
»Wenn Sie es sagen.« Ich bedachte sie mit einem schwachen Lächeln. »Sie sind eine tolle PA . Dafür sind Sie wie geschaffen, und ich werde Ihnen helfen, einen neuen Job zu finden. Denn …«
»Jetzt muss ich Sie unterbrechen!« Gabi sprang auf und hätte beinahe ihren Kaffee verschüttet. »Ich habe keine Papiere, und das wissen Sie. Putzfrau, Tellerwäscherin, Campesina. Dafür bin ich wie geschaffen.«
Nun war ich an der Reihe, zu Boden zu starren.
»Ich hätte nie gedacht, dass Sie einfach kneifen, Miss Jaymie. Jeder andere, aber nicht Sie.« Stille legte sich schwer über den Raum.
»Menschen sterben«, sagte ich nach einer Weile. »Sie sterben meinetwegen. Erst mein Bruder. Jetzt Danny. Sogar mein Hund wäre beinahe gestorben. Ich muss mich heraushalten und mich um meinen eigenen Kram kümmern.«
»Miss Jaymie, ich habe Ihnen etwas zu sagen. Erstens: Ein Hund ist ein Hund. Außerdem hat er überlebt. Und dann …« Offensichtlich wusste Gabi nicht, was sie nun noch sagen sollte.
»Ja, der Hund hat überlebt. Nur sein Bein nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Sehen wir es doch realistisch: Ich bin keine gute Ermittlerin. Ich investiere zu viel Gefühl.«
»Sie investieren Gefühl, richtig.« Gabi schob ihre Tasse weg. »Weil Sie ein Mensch sind, verstehen Sie? Schlimmer noch, Sie sind eine Frau.«
Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle, aber das Letzte, was ich wollte, war, mich in Selbstmitleid zu ergehen.
»Bitte, ich flehe Sie an«, beharrte Gabi. »Warten Sie nur noch ein bisschen, ja? Sie bekommen neue Klienten, neue Aufträge werden reinkommen …«
»Ich habe bereits die Hausverwaltung informiert. Tut mir leid, Gabi, aber wir sind hier in weniger als drei Wochen raus. Ich will sogar noch früher weg, aber Sie können noch so lange bleiben. Würden Sie mir bitte mein Scheckbuch und einen Stift reichen?«
Wie in Zeitlupe entriegelte Gabi die obere Schreibtischschublade mit einem Schlüssel von ihrem Schlüsselring und nahm einen kleineren Schlüssel heraus. Den benutzte sie dazu, am Aktenschrank eine der tiefen Schubladen zu öffnen, aus der sie eine verschlossene Kassette nahm. »Dieses System, das ich eingeführt habe, ist wirklich gut. Aber was macht das jetzt noch?« Nun schloss sie die Kassette mit einem Schlüssel auf, den sie einem magnetischen Schlüsselhalter entnommen hatte, welcher auf der Unterseite der Aktenschublade befestigt gewesen war, und öffnete den Deckel, um endlich das Scheckbuch über den Schreibtisch zu schie ben.
Schweigend stellte ich einen Scheck aus, riss ihn heraus und gab ihn ihr.
»Fünftausend Dollar«, kreischte Gabi. »Ausgestellt auf mich?«
»Die Hälfte des Honorars von Mrs Richter. Das ist übrigens noch so ein Fall, den ich verbockt habe. Das reiche Miststück hat seinen Hund zurück, und der kleine Junge ist wieder ganz allein.«
»Nein, das dürfen Sie nicht.«
»Warum nicht? Ich hätte das Honorar ohne Sie doch gar nicht bekommen.«
Gabi biss sich auf die Lippe und starrte mich an. Ich sah ihr an, dass sie angestrengt nachdachte.
»Okay, ich
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