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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Keskinen
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nehme ihn. Danke.« Sie setzte an, noch etwas zu sagen, klappte dann aber abrupt den Mund zu und ließ den Scheck in ihre Tasche fallen.
    Schon jetzt kam es mir so vor, als würde mir das kleine Haus an der El Balcón gar nicht mehr gehören. Dieselbe milde Abendsonne tauchte das Küchenfenster in einen rauchigen Goldton, derselbe säuerliche Lufthauch trieb durch die offene Hintertür herein. Aber von ein paar Möbelstücken abgesehen war in den kleinen Räumen nichts mehr, das mir gehörte.
    Ich ließ mich auf den Küchenstuhl fallen, verschränkte die Arme auf dem Tisch und bettete den Kopf darauf. Den ganzen Tag hatte ich hart gearbeitet, um mein Leben einzupacken – und Brodies ebenso.
    Der Lastwagen würde morgen früh um Punkt sieben Uhr kommen und meine gestapelten Kisten zu einem Mietlager fahren. Ich legte meine Identität ab wie eine Schlange sich aus ihrer ramponierten, alten Haut schälte. Die runderneuerte Klapperschlange würde den Honda gegen ein Wohnmobil eintauschen und sich auf den Weg wer weiß wohin machen.
    Ich verdrängte alle Sorgen um meinen zukünftigen Lebensunterhalt. Ich konnte immer irgendwo einen Job bekommen, in dem ich überflüssige Newsletter schreiben oder dringende Mitteilungen über winzige Käfer verschicken durfte, wie ich es bei den Weinbauern getan hatte. Das hatte ich ziemlich gut hingekriegt.
    Meine Lider waren schwer. Eine Fliege summte an der Fensterscheibe und suchte einen Weg hinaus in den endenden Tag.
    Dann muss ich eingeschlafen sein. Als ich aufschreckte, dämmerte es. Ich hob den Kopf und lauschte: Ich hörte ein Getriebe scheppern. Etwas – zu laut für ein gewöhnliches Auto, zu leise für einen Lastwagen – mühte sich den Hang herauf.
    Ich ging zur Vordertür und öffnete. Ein uralter VW -Bus, der mit seiner weißen Farbe im Halbdunkel glänzte wie der Mond, schob sich zu mir hoch.
    Auf dem Fahrersitz saß eine verstörende Erscheinung. Der Körper des Fahrers steckte in sackartigen Kleidern, und eine dunkle Kapuze verbarg seinen Kopf. Zwei Gucklöcher klafften in dem Stoff, und diese Löcher drehten sich nun zu mir, um meinem Blick zu begegnen.
    Charlie und Annie .
    Der Bulli bremste und kam klappernd und schnaufend zum Stehen. Ich ging die Stufen hinunter und zu dem offenen Fenster. »Charlie?«
    »Wollte mir meine Andornbonbons holen«, krächzte seine Stimme. »Hab gehört, das wäre meine letzte Chance.«
    Tränen traten mir in die Augen. »Tut mir leid, Charlie.«
    »Wieso denn? Wolltest du etwa heimlich abhauen, ohne dich zu verabschieden?«
    »Nein. Ich hab nur keine Bonbons mehr für dich.« Nun fing ich wirklich an zu weinen.
    Er streckte eine vernarbte Hand zum Fenster heraus. »Immer mit der Ruhe, Jaymie. Nimm’s nicht so schwer.«
    Ich ergriff seine Hand. Sie fühlte sich an wie ein lederner Gartenhandschuh mit all den derben Furchen und Striemen. »Möchtest du reinkommen, Charlie?«
    »Nein, danke, Jaymie, Mädchen.« Er gluckste. »Wie man so schön sagt – ich bleibe lieber daheim.«
    Ich lächelte die Kapuze an, wandte dann aber den Blick ab.
    »Also, was habe ich da gehört? Du willst die Stadt verlassen?«
    Charlie hätte ich nie anlügen können. Das wäre, als würde ich an der Himmelspforte lügen. »Ich verziehe mich«, gestand ich, »fliehe vom Tatort, in mehr als nur einer Hinsicht.«
    »Hmm.« Aus Charlies vernarbter Kehle hörte sich dieser Laut an wie das Donnern eines fernen Gewitters. »Wie ich immer sage, Jaymie, tief im Inneren weißt du, was das Beste ist.«
    In der eintretenden Stille ertönte ein Nebelhorn: Eine dichte Nebelbank wogte auf die Küste zu.
    »Bin nur vorbeigekommen, um dir zu sagen, dass wir dich vermissen werden, Annie und ich. War uns eine Ehre.«
    »Nein, Charlie, mir war es eine Ehre.«
    Er winkte ab. »Also, bist du deiner Sache sicher? Sicher, dass du das tust, was wirklich das Beste ist? Annie will, dass ich dich rundheraus danach frage, nur um doppelt sicher zu sein.«
    »Es ist das Beste.«
    »Also gut, Jaymie. Du kennst dich selbst am besten.« Die beiden schwarzen Pfuhle in der Kapuze glitzerten. »Möge dein Weg eben sein, bis sich unsere Pfade wieder kreuzen.«
    »Charlie, warte. Mir ist wichtig, dass du mich verstehst.« Ich streckte die Hand in den Wagen und ergriff seine Schulter, die unter der sackartigen Kleidung so knochig und hager war. »Was nütze ich schon irgendwem? Ich muss gehen und das hinter mir lassen.«
    »Das ist nicht möglich, Jaymie. Die Vergangenheit ist ein Teil von

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