Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance
man seinen eigenen Weg findet und sich selbst treu bleibt. Das hat der Junge prima bewerkstelligt, jawoll. Und seien wir doch mal ehrlich: Normal kann doch jeder! Lieber ein bisschen bekloppt und glücklich.
Ich bin sehr glücklich mit meinem Kind und stolz, dass er die schwierige Zeit seit meinem Schlaganfall, so gut er konnte, gemeistert hat. Wenn ich mir vorstelle, was da alles über ihn hereingebrochen ist wie ein Tornado – von Todesangst um mich bis hin zur Wut auf die Krankheit, die auch sein Leben drastisch verändert hat, ob er wollte oder nicht. Er hat mich mal nach dem Schlaganfall vor Wut angeschrien: »Du bist nicht mehr meine Mutter!« Das war sehr hart und traurig für mich, denn in dieser wütenden, absichtlich rausgehauenen Anklage steckt ganz tief leider auch ein bisschen die Wahrheit. Natürlich werde ich immer seine Mutter sein, das ist schon klar und natürlich nicht das, was Donald meinte. Was mein Sohn meinte ist, dass es die Mutter, die ich
vor
dem Schlaganfall für ihn war, nicht mehr gibt, da hat er schon recht! Ich bin so gesehen Gaby Mk II ! Ich muss meinen Weg in mein neues Mutterdasein genauso herausfinden, wie Donald seinen Umgang mit mir neu definieren muss. Er ist wesentlich autarker und früher selbstständig geworden, als mir und ihm lieb ist. Aber so ist das nun mal: Das Schicksal interessiert sich einen feuchten Kehricht um unsere Vorstellung von einem glücklichen Leben. Zeit für eine dieser typisch kölschen Phrasen, die leider nicht von der Hand zu weisen ist: »Et kütt wie et kütt!«
Auf eigenen Beinen aus der Klinik
Am 30. Juli 2008 wurde ich aus der Rehabilitationsklinik entlassen. Schon wieder ein Datum mehr in meinem bescheidenen und kurzen Leben, das ich so schnell nicht vergessen werde. Vom 8. Januar bis zum 30. Juli – das war für mich nicht nur die längste Zeit in einem Krankenhaus, sondern auch eine Zeit, in der mein bisheriges Leben wie ein marodes Haus Stockwerk für Stockwerk gesperrt und für nicht mehr betretbar erklärt wurde. Schönes Bild, wenn ich es mir gerade mal so überlege.
Über das neue Leben hatte ich mir weniger Gedanken gemacht. Ich fand es schon schwierig genug, mit den momentanen Begebenheiten fertig zu werden und gleichzeitig das alte Leben zu verkraften, abzuspeichern, in Frage zu stellen und vor allen Dingen wieder erst mal auf die Festplatte zu kriegen!
Die Folgen des Schlaganfalls sind so weitreichend und haben enorme Konsequenzen für mein alltägliches Leben. Genau deswegen habe ich dieses Buch geschrieben. Um mir und anderen betroffenen Menschen Mut zu machen. Denn ich weiß jetzt: Ich brauche Unmengen an Geduld und positive Energie, aber es wird besser! Auch, wenn man manchmal selber zweifelt. Was wohl kaum verwerflich ist! Auch ich sage immer wieder gerne diesen alten Spruch auf, der so wahr ist: »Verzeihlich ist im Leben, einmal hinzufallen, aber unverzeihlich, liegenzubleiben!« Oder – wer es lieber mit den Worten von Winston Churchill sagen möchte: »Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird!« Paul McCartney sang: »It’s getting better all the time!« Worauf der zynische Herr Lennon allerdings entgegnete: »Couldn’t get worse«! Tja – und wie immer haben beide recht, aber ihr dürft euer Ziel nicht aus den Augen verlieren, auch wenn es Tage gibt, an denen man sich fragt, ob es nicht besser wäre wenn … NEIN ! Wäre es nicht. Solange ich kein armes Wesen bin, das an Geräten hängend dahindämmert, brülle ich euch dieses »Nein« an die Birne!
Leute, lasst euch nicht beirren, steht euch selber nicht im Weg! Bitte! Macht es euch nicht schwerer, als es sowieso schon ist: Haltet durch, es lohnt sich und es geht immer weiter! Auch, wenn es manchmal nur ganz klitzekleine Minischritte sind. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, und Kleinvieh macht auch Mist. Der stete Tropfen höhlt den Stein und wer »A« sagt, der muss auch »… schloch« sagen. Habe ich jetzt alle Phrasen durch? Gut, das kann nie schaden. Aber ich weiß auch, warum ich diese Sprüche klopfe, denn ich hatte mir – was die Entlassung angeht – schon relativ früh in meinem Krankenbett geschworen: »Sie haben dich hier liegend reingefahren, Gabriele, und solltest du hier jemals wieder rauskommen, dann wirst du diese Klinik aufrecht gehend durch die Tür verlassen! Und wenn dafür noch ein Wunder geschehen muss!«
Im Ernst – ich wollte unbedingt auf meinen Beinen durch die ollen Türen gehen! Das war mir
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