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Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Titel: Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Köster
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so wichtig wie Derrick die Tränensäcke unter den Augen und der Fiffi auffer Omme!
     
    Ich hatte ja in den Therapien gelernt, mit meinen Extremitäten zu sprechen wie Dr. Doolittle mit den Tieren: »Bein jetzt lang – und jetzt Ferse auf den Boden!« Das hilft ungemein, man soll es nicht glauben – aber es funktioniert auch. Fast immer manchmal und auch ab und zu mit viel Willenskraft! Das habe ich auch gelernt. Glauben ist sehr wichtig, denn es heißt ja nicht umsonst: »der Glaube versetzt Berge!« Am Anfang der Therapie habe ich zwar oft zaudernd gedacht: Gaby, gegen deine Berge ist der Himalaya ein niedliches, kleines Grashügelchen, aber so wird es Hannibal auch ergangen sein, bevor er Colonel Hatis Elefanten-Frühpatrouille im Winter über die Alpen geschubst hat, um die ollen Römer zu erschrecken! Im Laufe der unzähligen Stunden habe ich ja dann gemerkt, dass der Himalaya langsam kleiner wurde oder vielleicht auch nicht so groß war, wie ich ihn gemacht hatte. Oder sagen wir es noch anders: Vielleicht bin ich auch einfach mit Mut, Glaube und Verzweiflung über mich hinausgewachsen.
    Am 30. Juli war es jedenfalls soweit: Meine Mutter und mein Sohn kamen, um mich nach Hause zu bringen. Ich bin mit meinem »Sherpa« Donald am Arm unten in der Empfangshalle losgegangen, immer wieder mein Mantra leise in mich hinein betend: »Langes Bein, Ferse auf den Boden!« Tusch, Trara und Jubel: Ich habe es geschafft – ich ging auf meinen eigenen Beinen durch die Tür! Leute, ich war ziemlich aufgeregt! Donald, meine Mutter und ich jubelten, heulten und freuten uns wie Bolle! Das war geschafft!
    Wer uns allerdings an dem Tag beobachtet hätte, der wäre nie im Leben darauf gekommen, dass es sich bei unserer Abfahrt um eine Entlassung und nicht um einen Umzug gehandelt hat – so viele Klamotten haben wir da rausgeschleppt! Glücklicherweise habe ich einen Kangoo, also einen kleinen LKW mit sehr großer Ladefläche, in den die ganzen Plüdden auch reinpassten: Fernseher, Computer, DVD s, CD s, jede Menge Bücher, Lichterketten, Stofftiere, Klangschalen, Rollstuhl und was man sonst noch so zum Leben braucht!!!
     
    Der Abschied aus der Klinik fiel mir nicht ganz leicht, denn immerhin hatte ich dort fast sieben Monate meines Lebens verbracht, mit sehr vielen Tiefen, aber auch Höhen! Inzwischen konnte ich ja sogar schon einiges, wie zum Beispiel eben an der Hand laufen – aber von der Selbständigkeit war ich immer noch so weit weg wie Frankensteins Braut von einer Schönheits- OP , Meister Proper von Dreadlocks und Käpt’n Ahab vom Marathonlauf!
    Aber egal, irgendwann hatten wir meinen halben Unterhaltungselektronikshop eingeladen, und so fuhren wir dann endlich und erst mal glücklich nach Hause.
     
    Die erste Nacht zu Hause war sehr aufregend, denn ich schlief nicht in meinem angestammten Schlafzimmer im ersten Stock des Hauses, sondern in einer Ecke des Wohnzimmers in einem extra angeschafften Pflegebett – das kann man rauf- und runterfahren und das Kopf- und Fußteil verstellen, und außerdem ist dort unten ebenerdig eine Toilette. Das ist sehr von Vorteil, denn mal eben zum Pieseln in der Nacht ein paar Treppen steigen, geht noch nicht, da erstens kein Geländer auf der rechten Seite montiert ist, und zweitens alles natürlich auch viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, was bei der oftmals gebotenen Dringlichkeit einer vollen Blase kontraproduktiv wäre.
    In der ersten Nacht hat sogar die Mum neben mir geschlafen, sicherheitshalber. Sie hat mich sozusagen gut abgesichert, denn in der Klinik hatte ich ja noch ein Sicherheitsgitter am Bett, was ich zu Hause nicht hatte. Also hat die Mum – praktisch denkend wie sie nun mal ist – mir ein Seitenschläferkissen (eine lange Kissenwurst) in den Rücken gepackt, mit der Bettdecke eingeklemmt und den Rolli mit angezogenen Bremsen davor gestellt! So konnte ich nicht aus dem Bett fallen. In der Nacht musste ich sie leider mal wecken, weil ich zur Toilette musste, aber bald schon schaffte ich das, dem Himmel sei Dank, ganz alleine mit dem Rolli.
    Da das große Badezimmer natürlich auch im ersten Stock ist – schon was gemerkt? Richtig: Häuser werden meistens nur für junge und kerngesunde Menschen gebaut! –, wusch ich mich in der ersten Zeit mit Hilfe meiner fast siebzigjährigen Queen Mum in der Küche! Ja, und? Hat man früher auch so gemacht. War auch nicht alles schlecht, früher! Und Wasser bleibt Wasser. Ich kann mir den Luxus der

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