Ein Schritt ins Leere
schwächer wurde, wandte sich Mrs Bassington-ffrench brüsk Frankie zu: «Warum wollt ihr Henry denn so weit fortschicken?»
Frankie überlegte blitzschnell. «Ich möchte weiter nichts, als dass ihm die beste Behandlung zuteil wird», erwiderte sie. «Und Dr. Nicholson halte ich für einen ziemlichen Quacksalber.»
«Ich nicht, Frankie. Meines Erachtens ist er ein sehr gescheiter, sehr tüchtiger Mann, wie Henry ihn braucht.» Und fast herausfordernd sah Sylvia ihren jungen Gast an.
In welch kurzer Zeit er sie sich gefügig gemacht hat!, dachte Frankie. All ihr früheres Misstrauen ist verflogen…!
Glücklicherweise kam Roger gerade wieder aus dem Haus und bereitete diesem peinlichen Zwiegespräch ein Ende. Er schien etwas atemlos zu sein.
«Nicholson ist noch nicht daheim», berichtete er. «Ich bat um seinen Rückruf.»
«Ich sehe nicht ein, warum du Dr. Nicholson so dringend sprechen musst», äußerte seine Schwägerin. «Du bist es gewesen, der eine Behandlung im Birkenhof angeregt hat; jetzt ist alles abgemacht, und Henry hat eingewilligt.»
«Darf ich in der Sache nicht auch ein Wörtchen mitreden, Sylvia?», fragte er sanft. «Schließlich ist Henry mein Bruder.»
Aber Sylvia beharrte: «Die Anregung kam von dir.»
«Ja. Aber ich habe seither einiges über Nicholson gehört.»
«Was…? Aber lassen wir das – ich glaube dir nicht.»
Sie biss sich auf die Lippen, wandte sich auf dem Absatz um und ging rasch ins Haus.
«Das ist ja merkwürdig!», murmelte Roger.
«Sehr merkwürdig!»
«Wenn Sylvia sich zu etwas entschlossen hat, kann sie störrisch sein wie ein Maultier.»
«Was tun?», murmelte Frankie ratlos.
Sie nahmen wieder auf der Gartenbank Platz und fingen an zu beratschlagen. Roger stimmte Frankie zu, dass es ein falscher Schachzug sein würde, Sylvia sämtliche Vorfälle zu erzählen.
«Lieber greife ich den Doktor an», entschied er.
«Was wollen Sie ihm sagen?»
«Das weiß ich noch nicht; aber an Andeutungen werde ich es nicht fehlen lassen. Nein, mein Bruder soll nicht in den Birkenhof, auf keinen Fall! Verflucht, dass Sylvia gerade jetzt bockbeinig werden muss!»
«Es zeigt die hypnotische Kraft des Mannes.»
«Ja. Beweis hin, Beweis her – ich beginne zu glauben, dass Sie in Bezug auf Nicholson Recht haben. – Hallo, was ist das…?»
Sie waren beide aufgesprungen.
«Klang das nicht wie ein Schuss?», fragte Frankie beklommen. «Ein Schuss, der irgendwo im Haus abgegeben wurde?»
Seite an Seite rannten sie über den Rasen, liefen durch das französische Fenster ins Wohnzimmer und von dort in die Halle.
Hier stießen sie auf Sylvia, die, weiß wie Schnee, die hohe Rückenlehne eines Sessels umklammert hielt.
«Habt ihr’s gehört?», wisperte sie. «Ein Schuss… in Henrys Arbeitszimmer.»
Während Roger die Schwankende stützte, ging Frankie zur Tür und drückte die Klinke runter.
«Abgeschlossen.»
«Das Fenster!», sagte Roger kurz.
Er ließ die halb ohnmächtige Sylvia auf den Sessel gleiten und raste durchs Wohnzimmer wieder ins Freie, Frankie dicht auf seinen Fersen.
Das Fenster von Henrys Arbeitszimmer war geschlossen, aber sie drückten ihr Gesicht dicht an die Scheibe und spähten hinein. Die Sonne, schon im Untergehen begriffen, ließ nicht mehr viel Licht ins Zimmer fallen; doch es genügte, um ein klares Bild zu gewinnen.
Drinnen lag Henry Bassington-ffrench mit dem Oberkörper quer über seinem Schreibtisch. Deutlich war an seiner Schläfe eine Schusswunde sichtbar, deutlich zu sehen auch der Revolver, der unten auf dem Teppich lag.
«Er hat sich erschossen. Wie fürchterlich!», flüsterte Frankie.
«Treten Sie etwas zurück, ich schlage das Fenster ein.»
Roger wickelte eine Hand in seinen Rock und versetzte der Glasscheibe einen wuchtigen Hieb, unter dem sie zersplitterte. Sorgsam brach er die restlichen Stücke heraus, dann stiegen er und Frankie ins Zimmer. In derselben Sekunde kam Sylvia mit Dr. Nicholson die Terrasse entlanggeeilt.
«Der Doktor ist gerade gekommen», rief sie atemlos. «Was ist mit Henry…»
Da sah sie die ausgestreckte Gestalt und stieß einen Schrei aus.
Dr. Nicholson schob Sylvia in die Arme Rogers, der rasch wieder durch das Fenster hinausgeklettert war.
«Führen Sie sie fort», befahl er kurz. «Und kümmern Sie sich um sie. Wenn sie will, geben Sie ihr einen Kognak.»
Nach diesen Worten betrat Nicholson selbst das Arbeitszimmer, wo Frankie, wie gelähmt vor Entsetzen, auf demselben Fleck verharrte.
«Das
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