Ein Schritt ins Leere
Bassington-ffrench erschossen hätte?»
«Nachdem er ihm vorher einen Abschiedsbrief zu schreiben befahl?», spottete Frankie.
«Ich glaube, der ließe sich leicht fälschen, da man jede Abweichung von der sonst üblichen Handschrift auf die Erregung des Schreibers schieben würde.»
«Ja, das ist wahr. Weiter, Bobby.»
«Nicholson erschießt Bassington-ffrench, legt den Abschiedsbrief auf den Schreibtisch und schlüpft hinaus, wobei er die Tür hinter sich abschließt. Alsdann taucht er etliche Minuten später auf und tut so, als sei er gerade erst eingetroffen.»
«Nicht schlecht. Aber» – Frankie wiegte bedauernd den Kopf – «es hapert. Erstens steckte der Schlüssel in Henrys Tasche.»
«Wer hat ihn dort gefunden?»
«Nicholson.»
«Da haben wir’s!», triumphierte Bobby. «Er brauchte ja nur so zu tun, als habe er ihn dort gefunden.»
«Du vergisst, dass ich ihn beobachtete. Ich bin sicher, dass der Schlüssel in der Tasche gesteckt hat.»
«So sagt man immer, wenn man einen Zauberkünstler beobachtet. Du siehst, wie das Karnickel in den Hut gesetzt wird…! Wenn Nicholson ein erstklassiger Verbrecher ist, streut er dir mit einer kleinen Handbewegung Sand in die Augen, liebes Kind.»
«Mag sein. Doch auch aus anderen Gründen ist die Sache unmöglich. Sylvia befand sich zur Zeit des Schusses im Haus und lief, sobald sie ihn gehört hatte, in die Halle. Wenn Nicholson, wie du vorhin sagtest, durch die Tür des Arbeitszimmers entschlüpft wäre, hätte sie ihn unbedingt sehen müssen. Sie sah ihn aber erst, wie er – während Roger und ich um das Haus herumrannten – die Auffahrt entlang auf die Haustür zuschritt. Nein, Bobby, es kostet mich Überwindung, aber: Der Mann hat ein Alibi.»
«Leuten, die ein Alibi haben, misstraue ich grundsätzlich», entgegnete Bobby, als ob er über die Erfahrung eines Inspektors von Scotland Yard verfügte.
«Ich auch. Dieses jedoch können wir nicht beiseiteschieben.»
«Nein. Sylvia Bassington-ffrenchs Wort muss uns genügen», bestätigte Bobby Jones mit einem Seufzer. «Also regelrechter Selbstmord. Armer Teufel…! Von welcher Seite rücken wir unserem Problem nun zu Leibe, Frankie?»
«Die Caymans», entgegnete Lady Frances lakonisch. «Hast du die Adresse behalten, von der aus er dir damals schrieb?»
«Ja. St. Leonhards Gardens Nr. 17, Paddington. Es ist dieselbe, die das Ehepaar bei der Leichenschau nannte. Gib dich hinsichtlich dieser Adresse nur nicht trügerischen Hoffnungen hin, Frankie. Die Vögel sind sicherlich längst ausgeflogen. Leo und Amelia Cayman kamen ja nicht erst gestern auf die Welt!»
«Wenn das Nest auch leer ist – möglicherweise lehrt es mich doch noch etwas über seine einstigen Insassen.»
«Dich?»
«Jawohl, mein guter Bobby. Ich halte es für sinnvoller, wenn du dich dabei etwas bescheiden im Hintergrund herumdrückst. Dich kennt das saubere Pärchen, mich nicht.»
«Und wie willst du seine Bekanntschaft machen?»
«In politischer Mission», verkündete Lord Marchingtons Tochter. «Stimmenwerbung für die Konservative Partei. Ich werde mit Flugblättern antreten.»
«Guter Einfall. Aber du wirst ein leeres Nest vorfinden. Doch etwas anderes: Was geschieht mit Moira?»
«Gerechter Himmel!», rief Frankie. «Über all dem Neuen hatte ich sie ganz vergessen.»
«Das habe ich gemerkt», sagte Bobby, und aufmerksamen Ohren wäre die Missbilligung in seiner Stimme nicht entgangen. Er sah Moiras eigenartig schönes, fesselndes Antlitz vor sich. Tragik umwitterte es. Schon damals, als ihm aus Alan Carstairs’ Tasche ihr Bild in die Hand fiel, hatte er diese Tragik empfunden. «Ich habe das Gefühl, Frankie, dass Moiras Leben an einem seidenen Faden hängt», fuhr er düster fort, «und dass jede Verzögerung verhängnisvoll sein kann. Wir müssen sie überreden, den Birkenhof zu verlassen – heute noch.»
«Ja, sie soll auf unser Schloss in Wales gehen. Dort ist sie allen Gefahren entrückt», stimmte Frankie zu.
«Wenn du das fertig brächtest!»
«Was heißt fertig bringen? Die Sache ist doch höchst einfach. Vater kümmert sich nicht viel um meine Gäste. Überdies wird ihm Moira gefallen, wie sie beinahe jedem Mann gefallen würde – sie ist so weiblich. Ich staune immer wieder, wie sehr Männer hilflose Frauen mögen.»
«Ich finde Moira gar nicht so besonders hilflos.»
«Nein? Bobby, du bist dumm. Sie gleicht einem kleinen Vogel, der sich auf seinem Zweig zusammenkauert und darauf wartet, von der Schlange
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