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Ein Schritt ins Leere

Ein Schritt ins Leere

Titel: Ein Schritt ins Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Aufnahme etliche Jahre zurück, aber selbst wenn man das berücksichtigte, erschien es unfasslich, dass jene entzückende, großäugige Schönheit sich in diese frech aussehende Frau mit gezupften Augenbrauen und gefärbtem Haar verwandelt haben sollte. Die Zeit – so Bobbys weitere Gedanken – war ein sehr zu fürchtendes Problem! Wie würde zum Beispiel wohl Frankie in zwanzig Jahren aussehen…? Und den Pfarrerssohn überlief ein leichter Schauder.
    Inzwischen machte Amelia Cayman, St. Leonhard Gardens Nr. 17, Paddington, ihre Aussage.
    Der Verstorbene sei ihr einziger Bruder, Alexander Pritchard, den sie zuletzt am Tag vor der Tragödie gesehen habe, als er seine Absicht mitteilte, eine Fußwanderung durch Wales zu unternehmen.
    «Befand er sich in einem normalen Geisteszustand?»
    «Ja. Alex war immer gut gelaunt.»
    «Soweit Sie wissen, belastete nichts sein Gemüt?»
    «Nichts. Er freute sich auf seine Wanderung.»
    «Hat er kürzlich vielleicht Geldsorgen oder andere Schwierigkeiten gehabt?»
    «Das kann ich nicht genau beurteilen», entgegnete Mrs Cayman. «Alex war noch nicht lange aus Siam zurück. Und während seiner zehnjährigen Abwesenheit hat er selten geschrieben, weil er das Briefeschreiben hasste. Doch er lud mich in London ins Theater ein und machte mir Geschenke, sodass ich nicht glaube, dass er knapp bei Kasse gewesen ist.»
    «Welchen Beruf übte Ihr Bruder aus, Mrs Cayman?»
    Die Dame schien leicht verwirrt.
    «Ich bin mir nicht ganz klar, womit er sich eigentlich befasste. Schürfen nannte er es. Er hielt sich immer nur vorübergehend in England auf.»
    «Sie glauben nicht, dass er sich das Leben genommen hat?»
    «Keinesfalls! Es muss ein Unfall gewesen sein.»
    «Wie erklären Sie die Tatsache, dass Ihr Bruder kein Gepäck bei sich hatte? Nicht einmal einen Rucksack?»
    «Sogar einen Rucksack fand er beschwerlich. Und deshalb half er sich, indem er alle zwei Tage ein Paket abgeschickt haben wollte. Das erste, das sein Nachtzeug und ein Paar Socken enthielt, gab er noch selbst am Tag vor seinem Aufbruch auf – allerdings adressierte er es irrtümlicherweise nach Derbyshire anstatt nach Denbigshire, sodass es erst heute hier eintraf.»
    «Ah! Das erklärt einen etwas sonderbar anmutenden Punkt.»
    Nun berichtete Mrs Cayman, dass der Fotograf, dessen Geschäftsadresse auf dem Foto gestanden habe, ihr von dem Vorgefallenen Mitteilung gemacht hätte, worauf sie und ihr Gatte sofort nach Marchbolt abgereist seien. Hier habe sie in dem verunglückten Fremden ihren Bruder erkannt.
    Als sie diese letzten Worte sagte, schnüffelte sie hörbar und begann dann zu schluchzen.
    Der Coroner, ein mitfühlender Mensch, sprach ein paar tröstende Sätze und entließ die Dame, um sich nunmehr an die Geschworenen zu wenden. Die Aufgabe, die ihrer harrte, war leicht: denn nichts deutete darauf hin, dass Alex Pritchard unter Kummer und Sorgen gelitten habe, die einen Selbstmord wahrscheinlich machten.
    Infolgedessen erfolgte prompt das Verdikt:
    «Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass der Verstorbene durch ein Missgeschick seinen Tod gefunden hat, und möchten hinzufügen, dass unserer Meinung nach die Gemeinde unverzüglich einen Zaun oder ein Geländer an der Unglücksstelle anbringen sollte.»
    Der Coroner nickte zustimmend, und die amtliche Leichenschau war vorüber.

5
     
    A ls Bobby Jones eine halbe Stunde später ins Pfarrhaus zurückkehrte, merkte er, dass seine Verbindung mit dem Tod Alex Pritchards noch nicht vorüber war. Mr und Mrs Cayman hatten sich eingefunden und saßen im Studierzimmer seines Vaters, der sich tapfer bemühte, eine geziemende Unterhaltung zu führen.
    «Ah, da ist Bobby ja!», sagte er sichtlich erleichtert, als dieser das Zimmer betrat.
    Mr Cayman erhob sich und ging dem jungen Mann mit ausgestreckter Hand entgegen. Er war ein großer, breitschultriger Mann, dessen zur Schau getragene Herzlichkeit durch kalte, durchtriebene Augen Lügen gestraft wurde. Was Mrs Cayman anbelangte, so hatte sie – hübsch, wenn auch auf plumpe, gewöhnliche Weise – nichts mehr mit ihrem früheren Bild gemeinsam. Nein, nach diesem Bild würde sie schwerlich jemand wiedererkannt haben, überlegte Bobby.
    «Wir sind, zu Ihnen gekommen», sagte Mr Cayman, während er Bobbys Hand mit einem festen, schmerzhaften Griff umschloss, «weil der Bruder meiner armen Frau sozusagen in Ihren Armen starb. Sie werden begreifen, dass sie jede Einzelheit seiner letzten Minute erfahren

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