Ein Schritt ins Leere
er.
«Wie wundervoll…! Du, hör mal», sagte sie in verändertem Ton, als sei ihr plötzlich etwas eingefallen, «was ist das eigentlich mit dem Mann, der über die Klippen fiel?»
«Dr. Thomas und ich haben ihn gefunden. Woher weißt du von dem Unfall?»
«Hier, lies!»
Sie reichte ihm eine Zeitung. Und Bobby las:
Das Opfer des tragischen Ereignisses von Marchbolt konnte ge s tern Abend dank einer Fotografie, die man in der Tasche des Verunglückten fand, identifiziert werden. Die Fotografie stellt Mrs Leo Cayman dar. Mrs Cayman wurde von dem Vorgefall e nen in Kenntnis gesetzt und reiste unverzüglich nach Marchbolt, wo sie in dem Verunglückten ihren Bruder, Alex Pritchard, e r kannte. Mr Pritchard war erst vor kurzem aus Siam heimg e kehrt, nach zehnjähriger Abwesenheit. Er befand sich auf einer Fußwanderung. Die amtliche Leichenschau wird morgen in Marchbolt stattfinden.
Bobbys Gedanken flogen zu dem eigenartig schönen Antlitz der Fotografie zurück.
«Ich glaube, dass ich bei der Leichenschau meine Zeugenaussage machen muss», sagte er.
«Wie aufregend! Ich werde kommen und zuhören.»
«Es wird gar nicht aufregend sein, Frankie. Wir fanden ihn, und damit basta!»
«War er tot?»
«Nein. Nicht gleich. Er starb eine Viertelstunde später. Ich war allein mit ihm.»
«Oh, wie schrecklich für dich!», rief Frankie mit dem sofortigen Verständnis, das Bobbys Vater gefehlt hatte.
«Natürlich hat er keine Schmerzen gespürt…»
«Nein?»
«Aber trotzdem… Na ja, er sah furchtbar lebendig aus… hätte ihm auch niemals zugetraut, dass er wegen eines bisschen Nebels eine Klippe hinabkollern könnte.»
«Ich verstehe, Bobby. Hast du die Schwester gesehen?»
«Nein. Ich bin zwei Tage in London gewesen. Ein Freund will eine Garage aufmachen. Du kennst ihn übrigens, Badger Beadon.»
«Ich kenne ihn?»
«Freilich. Du wirst doch den guten alten Badger nicht vergessen haben! Er schielt.»
Frankie zog angestrengt die Brauen zusammen.
«Dann hat er eine grässliche, alberne Art zu lachen. Hau, hau, hau – so klingt es», half Bobby lächelnd ihrem Gedächtnis nach.
Doch Frankies Stirn glättete sich noch immer nicht.
«Er fiel, als wir Kinder waren, einmal vom Pony herunter», fuhr Bobby fort. «Mit dem Kopf zuerst in den Schlamm, und wir mussten ihn an den Beinen wieder herausziehen.»
«Oh, jetzt weiß ich’s!», rief Frankie. «Damals stotterte er.»
«Er stottert auch heute noch.»
«Hat er nicht mal eine Geflügelfarm gehabt, die Pleite machte?»
«Richtig.»
«Und anschließend trat er bei einem Makler ein und wurde nach einem Monat an die Luft gesetzt, wie?»
«Jawohl.»
«Und dann schickten ihn seine Angehörigen nach Australien, von wo er ziemlich bald zurückkehrte?»
«Auch das stimmt.»
«Bobby», sagte Lady Frances Derwent, «ich hoffe, dass du in sein neues Unternehmen kein Geld steckst.»
«Ich besitze kein Geld, das ich hineinstecken könnte.»
«Gott sei Dank!»
«Natürlich hat Badger versucht, jemanden mit einem kleinen Kapital zu finden. Aber das ist nicht so einfach, wie man denken sollte.»
«Wenn man sich so umsieht, meint man manchmal, die Leute hätten überhaupt keine Grütze im Kopf – aber nach dem, was du mir eben erzählst, scheint es doch nicht ganz so schlimm zu sein.»
Diese anzügliche Bemerkung reizte Bobby.
«Lass dir gesagt sein, Frankie, dass Badger ein Prachtkerl ist.»
«Das sind sie alle!»
«Wer?»
«Nun, die nach Australien fahren und im Nu zurückkommen! Wo hat er denn das Geld her für dieses Geschäft?»
«Eine Tante hinterließ ihm eine Garage für sechs Autos samt drei darüber gelegenen Zimmern, und ein paar andere Verwandte kratzten hundert Pfund zusammen, damit er ein paar gebrauchte Wagen kaufen könne. Du ahnst nicht, welche Angebote man in Gebrauchtwagen erhält!»
«O doch! Ich ahne es. Weil ich nämlich selbst mal einen gebrauchten Wagen gekauft habe. Reden wir lieber nicht darüber: Es war eine trostlose Affäre! Warum bist du übrigens nicht bei der Marine geblieben?»
Bobbys Gesicht überflog eine zornige Röte.
«Die Augen», knurrte er.
«Ach ja, die ließen ja schon immer zu wünschen übrig.»
«Genau. Ich schlüpfte bei der Untersuchung gerade noch durch. Aber hernach der Auslandsdienst – das grelle Licht der Tropen, weißt du – das schadet ihnen. Und so musste ich ausscheiden.»
«Scheußlich!», murmelte Frankie, indem sie zum Fenster hinaussah.
Dann entstand eine beredte Pause.
«Trotzdem
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