Ein Schritt ins Leere
möchte.»
«Natürlich», versicherte Bobby, der sich sehr unbehaglich fühlte.
Er grinste nervös und vernahm sofort den Seufzer seines Vaters – einen Seufzer christlicher Ergebung.
«Armer Alex», flüsterte Mrs Cayman, sich mit ihrem Taschentuch die Augen betupfend. «Armer, armer Alex! Wenn er irgendein letztes Wort oder eine Botschaft hinterließ – o bitte, sagen Sie es mir.»
«Von Herzen gern…, aber er trug mir nichts auf.»
«Nichts? Gar nichts?» Mrs Cayman blickte enttäuscht und ungläubig drein.
«Nein, gar nichts», versicherte Bobby.
«Es war das beste so», mischte sich nun Mr Cayman ein. «Hinüberzugehen, ohne es zu wissen, ohne Schmerzen zu erdulden. So musst du es sehen, liebe Amelia.»
Mrs Cayman seufzte tief.
«Ein letzter Gruß von ihm hätte mir so gut getan. Aber ich will mich damit abfinden. Armer Alex! Gestorben unter freiem Himmel, wie er ja die meiste Zeit seines Lebens im Freien zugebracht hat…!»
Bobby rief sich das bronzefarbene Gesicht und die tiefblauen Augen ins Gedächtnis. Ein anziehender Mensch, dieser Alex Pritchard, schön auch noch im Angesicht des Todes. Seltsam, dass er der Bruder dieser Mrs Cayman und der Schwager dieses ebenso unsympathischen Mr Cayman gewesen war! Er hätte bessere Verwandte verdient.
«Wir stehen jedenfalls tief in Ihrer Schuld», sagte Mrs Cayman.
«Oh, das ist alles in Ordnung», erwiderte Bobby. «Ich meine… nun, ich konnte nicht mehr tun… ich meine…» Hoffnungslos verhedderte er sich.
«Ja, wir werden Ihnen das nie vergessen», ergänzte der Gatte.
Abermals erduldete Bobby den schmerzhaften Händedruck und fühlte sodann Mrs Caymans weichliche Hand in der seinen.
«Was treiben Sie eigentlich so, junger Mann?», erkundigte sich Cayman jovial, als Bobby das Ehepaar zur Haustür begleitete. «Auf Urlaub daheim?»
«Die meiste Zeit verbringe ich damit, nach einer Stellung Ausschau zu halten», entgegnete der Gefragte. «Ich war bei der Marine.»
«Schlimme Zeiten machen wir durch», klagte Mr Cayman und schenkte Bobby einen letzten Händedruck. «Nun, ich wünsche Ihnen alles Glück für die Zukunft.»
«Danke verbindlichst», sagte Bobby Jones höflich.
Er sah dem Paar nach, das Arm in Arm den unkrautbewachsenen Weg zum Tor entlangschritt. In wirrem Chaos schwirrten verschiedene Ideen durch sein Hirn: die Fotografie… das junge Frauengesicht mit den großen Augen und dem leicht gewellten Haar… und zehn oder fünfzehn Jahre später Mrs Cayman – geschminkt, die Brauen gezupft, die großen Augen in Fleischfalten gebettet, dass sie wie Schweinsäuglein aussahen, das Haar grell mit Henna gefärbt. Alle Spuren von Jugend und Unschuld waren dahin. Ein Jammer…! Vielleicht wäre sie, wenn sie nicht diesen grobschlächtigen Cayman geheiratet hätte, anmutiger gealtert. Ein Schimmer von Grau im Haar. Augen, noch immer groß, in einem sanften, blassen Gesicht… Doch vielleicht… Bobby seufzte und schüttelte betrübt den Kopf.
«Das ist das Schlimmste beim Heiraten», murmelte er.
«Was sagst du?» Bobby, aus seinen Grübeleien aufgeschreckt, sah Frankie vor sich stehen, deren Kommen er überhört hatte.
«Von wessen Heirat faselst du, Bobby?»
«Oh… ich stellte nur Überlegungen allgemeiner Art an.»
«Nämlich?»
«Über die verheerenden Wirkungen der Ehe.»
«Wer ist verheert worden?»
Bobby sah sich zu Erklärungen genötigt; doch diesmal stieß er bei Frankie auf kein Verständnis.
«Blech!», bemerkte sie. «Die Frau ist genau wie ihre Fotografie.»
«Frankie, auf dem Bild war sie entzückend.»
«Dank einer geschickten Retusche.»
«Wenn die Retusche es fertig bringt, aus einem Scheusal ein elfenhaftes Geschöpf zu machen – dann sage ich: Hut ab!»
«Du bist blind, Bobby. Der Fotograf hatte all seine Kunst aufgeboten, aber eine widerliche Fratze blieb es doch.»
«Wahrlich, du hast einen verdrehten Geschmack», sagte Bobby tadelnd. «Wo hast du das Bild denn gesehen?»
«Im Marchbolter Evening Echo. »
«Unsere Kleinstadtzeitung wird vermutlich eine schlechte Reproduktion gebracht haben.»
«Bobby, du bist ja rein vernarrt!», rief Frankie zornig. «Vernarrt in eine angemalte, aufgetakelte alte Ziege – jawohl, ich sagte Ziege! – wie die Cayman.»
«Welche Ausdrucksweise, Frankie! Noch dazu im Pfarrhausgarten, sozusagen auf halb heiligem Boden…!»
«Dann benimm dich doch nicht so lächerlich!»
Doch Frankies Zorn war schon verraucht.
«Weißt du, was noch lächerlicher ist? Dass wir uns
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