Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Schritt ins Leere

Ein Schritt ins Leere

Titel: Ein Schritt ins Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
ist’s eine Schande!», brach Bobby los. «Meine Augen sind nicht wirklich untauglich. Ich hätte es ganz gut schaffen können.»
    «Ja, man merkt ihnen nichts an.» Und Frankie schaute stracks in ihre ehrlichen, braunen Tiefen hinab.
    «Deshalb trete ich jetzt bei Badger ein.»
    Lady Frances Derwent nickte. Ein Kellner öffnete die Tür und verkündete: «Erster Lunch.»
    Sie begaben sich in den Speisewagen, und als die Zeit näher rückte, da der Schaffner wiederkommen würde, machte Bobby Jones einen strategischen Rückzug.
    «Wir wollen sein Gewissen nicht allzu sehr belasten», erläuterte er. Worauf Frankie die Ansicht äußerte, dass Schaffner keinerlei Gewissen hätten.
    Kurz nach fünf Uhr erreichten sie Sileham, die Bahnstation für Marchbolt.
    «Der Wagen erwartet mich», sagte Frankie. «Du fährst natürlich mit.»
    «Danke. Das bewahrt mich davor, dies grässliche Ding zwei Kilometer weit schleppen zu müssen», erwiderte der Pfarrerssohn, indem er seinem Handkoffer einen verächtlichen Stoß versetzte.
    «Drei Kilometer, nicht zwei», verbesserte Frankie.
    «Zwei, wenn du den Fußweg benutzt.»
    «Jenen…»
    «Ja, jenen, auf dem der Pechvogel abstürzte.»
    «Wenn ihn nun jemand hinuntergestoßen hätte, Bobby?», meinte Frankie leichthin, als sie ihrer Zofe die Tasche mit den Toilettenutensilien reichte.
    «Hinuntergestoßen? Nein, nein. Warum?»
    «Dadurch würde die Sache viel aufregender. Findest du nicht?»

4
     
    B ei der Verhandlung, die sich um den Leichnam Alex Pritchards drehte, machte am folgenden Tag zuerst Dr. Thomas seine Aussage.
    «Der Verunglückte war, als Sie ihn fanden, noch nicht gestorben?», fragte der Coroner ihn.
    «Nein. Er atmete noch. Indes bestand keinerlei Hoffnung mehr. Der…»
    Hier wurde Dr. Thomas sehr wissenschaftlich, sodass am Schluss seiner Ausführungen der Vorsitzende den ratlosen Geschworenen zu Hilfe kam:
    «Sie meinen, dass der Mann das Rückgrat gebrochen hatte, nicht wahr?» Und als der Doktor etwas beleidigt nickte, kam die nächste Frage: «Was denken Sie hinsichtlich der Ursache des Unglücksfalles, Dr. Thomas?»
    «Ich möchte behaupten, dass der Verstorbene aller Wahrscheinlichkeit nach – leider tappen wir in Bezug auf seine Gemütsverfassung gänzlich im Dunkeln – aus Versehen über den Klippenrand trat und das Gleichgewicht verlor. Von der Seite stieg der übliche Abendnebel empor, und der Pfad wendet sich an jener Stelle unvermittelt landeinwärts. Infolge des Nebels mag der Ortsfremde die Gefahr nicht erkannt haben und, statt abzubiegen, weiter geradeaus geschritten sein.»
    «Zeichen von Gewalttätigkeit sahen Sie nicht, Dr. Thomas?»
    «Ich kann nur sagen, dass sämtliche vorhandenen Verletzungen von den Felsen verursacht sein können, die der Körper streifte, als er fünfzehn oder achtzehn Meter tief hinunterstürzte.»
    «Demnach bleibt also die Frage des Selbstmords.»
    «Der ist natürlich durchaus möglich. Ob der Verstorbene aus Versehen über den Rand hinaustrat oder absichtlich hinuntersprang, vermag ich nicht zu entscheiden.»
    Als nächster Zeuge wurde Robert Jones aufgerufen.
    Bobby schilderte, wie er mit dem Doktor Golf gespielt, seinen Ball seewärts geschlagen und dann geglaubt habe, einen Schrei zu hören, sodass er eine Sekunde lang befürchtete, es sei jemand von dem Ball getroffen worden.
    «Haben Sie ihn gefunden?»
    «Ja. Er lag ein gutes Stück von dem Fußpfad entfernt.»
    Hierauf beschrieb er das weitere Spiel, bei dem ein anderer Ball von ihm in den Klippeneinschnitt getrudelt sei. Doch das interessierte den Coroner weniger als der Schrei.
    «Was ist das für ein Schrei gewesen?», forschte er. «Ein Hilferuf?»
    «O nein. Ein einfacher Ausruf. Aber, wie gesagt, ich bin meiner Sache keineswegs sicher.»
    «Etwa ein Schrei der Bestürzung? Der Überraschung?»
    «Ja, ja, das passt schon eher», versicherte Bobby eifrig.
    «So ein Schrei, wie ein Mensch ihn ausstoßen würde, der unversehens von einem Ball getroffen wird? Oder einen Schritt ins Nichts tut, wenn er sich auf einem Pfad zu befinden wähnt?»
    «Ja.»
    Nachdem Bobby Jones noch erklärt hatte, dass der Mann ungefähr fünf Minuten nach Dr. Thomas’ Fortgang gestorben sei, war seine Vernehmung beendet. Alsdann kam Mrs Leo Cayman an die Reihe.
    Unwillkürlich riss Bobby vor Staunen den Mund auf. Wo war das Antlitz der Fotografie, die der Tote in der Tasche getragen hatte? Fotografen, dachte Bobby ärgerlich, sind die schlimmsten Lügner. Offenbar lag die

Weitere Kostenlose Bücher