Ein schwarzer Vogel
mein Ziel los. »Mein Name ist Lam, ich bin Privatdetektiv und in dieser Eigenschaft einem Schmuckstück auf der Spur. Ich glaube, Sie wissen etwas darüber. Darf ich für einen Moment hineinkommen?«
Sie sah mich durch den Türspalt prüfend an, lachte plötzlich und löste dann die Sicherheitskette.
»Natürlich«, sagte sie. »Bei einem Mann, der so schnell und geradeheraus sagt, was er will, sollte man eigentlich...«
Offenbar kam ihr noch rechtzeitig in den Sinn, daß das folgende Wort mir nicht ganz so passend erscheinen könnte wie ihr. Daher beendete sie ihren Satz mit einem Lächeln.
»Sicher sein?« ergänzte ich ihren Satz in fragendem Ton.
Sie lachte wieder. »Nein, sicher fühle ich mich schon. Treten Sie bitte näher.«
Es war eine hübsche, kleine Wohnung, äußerst gepflegt und ordentlich aufgeräumt. Man sah, daß sie bewohnt wurde, trotzdem war sie wie aus dem Ei gepellt.
»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte sie und deutete auf einen Sessel.
Ich wartete, bis sie sich gesetzt hatte.
»Haben Sie zufällig die letzten Ausgaben der Zeitungen gelesen?« begann ich das Gespräch.
»Nein, warum fragen Sie danach?«
»Ich bin einem bestimmten Smaragdkollier auf der Spur. Man hat mir einen Hinweis gegeben, daß ich bei Ihnen vielleicht etwas darüber erfahren kann.«
»Wer gab Ihnen den Tip?« fragte sie neugierig.
»Als Detektiv kann ich mir nicht erlauben, Namen preiszugeben.«
Sie überlegte einen Moment und meinte zustimmend: »Das entspricht sicher Ihren Vorschriften.«
Ich zog die Abendzeitung aus der Tasche, die ich vorher sorgfältig so gefaltet hatte, daß nur die Zeichnung des Kolliers, aber nichts anderes zu sehen war, und reichte sie ihr. »Das ist das Kollier. Können Sie mir etwas darüber sagen?«
Sie betrachtete das Bild einen Moment, faltete dann die Zeitung auseinander, so daß sie lesen konnte, was darunter stand. Die Bildunterschrift besagte, daß das Kollier auf dem Schreibtisch des Ermordeten gelegen habe, daß die Fassungen aufgebrochen und die dreizehn Smaragde! daraus entfernt worden seien. Dann drehte sie die Zeitung um, so daß sie die Schlagzeilen sehen konnte, und las nun den Namen des Ermordeten. Die ganze Zeit über blieb ihr Gesicht völlig ausdruckslos, und ihre Hände waren völlig ruhig. Sie hielt weder plötzlich den Atem an noch sagte sie etwas oder zeigte sonst ein Zeichen der Überraschung.
Ich beobachtete sie scharf. Sie war schätzungsweise vierundzwanzig Jahre alt. Ihr blondes, welliges Haar hatte die Farbe von goldgelbem Honig. Sie hatte eine hübsche, klar geschnittene Stirn, und ihre geraden Augenbrauen gaben ihrem Gesicht den Ausdruck nachdenklicher Konzentration. Ihre Lippen waren nicht schmal genug, um ihrem Gesicht einen strengen Zug zu verleihen. Ich taxierte, daß ihr Mund gern lächelte, aber auch fest und entschlossen sein konnte, wenn es ihr notwendig erschien.
Sie blickte von der Zeitung auf. »Was wollen Sie von mir wissen?« fragte sie.
»Ist Ihnen das Kollier bekannt?«
Sie überlegte einen Moment, ehe sie antwortete. »Es könnte sein. Können Sie mir sagen, was es damit auf sich hat?«
»Alles, was ich weiß, steht hier in dem Blatt.«
»Ich habe die Zeitung noch nicht gelesen. Nur die Schlagzeile, diese hier, überflogen. Anscheinend wurde das Kollier auf dem Tisch des Zimmers gefunden, in dem ein Mann ermordet wurde.«
»Ja, so ist es.«
»Ehrlich gesagt, Mr. Lam, ich kenne dieses Kollier nicht. Aber ich kann Ihnen folgendes sagen: Ich hatte einige altmodische Schmuckstücke, die schon eine ganze Reihe von Jahren in unserer Familie waren. Das meiste taugte nicht viel; das heißt, die Steine waren nicht besonders wertvoll. Darunter befand sich auch ein Kollier, das diesem hier in der Zeitung sehr ähnlich sieht, aber ich glaube nicht, daß das sehr viel bedeutet. Es muß hunderte Kolliers dieser Art geben.«
»Und was ist mit Ihrem Kollier?«
»Nun, nichts Besonderes. Es entsprach nicht der hier wiedergegebenen Abbildung.«
»Wodurch unterscheidet es sich?«
»In meinem Kollier waren keine Smaragde. Meines sah, soweit ich mich entsinnen kann, fast genauso aus wie das hier auf dem Bild, aber in meinem war ein synthetischer Rubin, und die anderen Steine waren Granate.«
»Was ist aus Ihrem Kollier geworden?«
»Ich habe es verkauft.«
»An wen?«
»Warum wollen Sie das wissen?«
Ich lachte und sagte: »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich, weil ich Detektiv bin und deshalb Fragen stellen muß. Wenn ich nun schon einmal
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