Ein sehr privater Verführer (Baccara) (German Edition)
andererseits traute sie ihrem Vater nicht. Er wusste, dass sie sauer war, und wollte gewiss nur beschwichtigen und weitere Vorwürfe abblocken. Aber sie war gerade sowieso viel zu ausgepowert und traurig, um sich mit ihm anzulegen.
Eine Stunde später fand sie sich endlich allein in ihrem alten Zimmer wieder. Die Luft war stickig, also öffnete sie das Fenster und kuschelte sich auf den breiten Fenstersitz. Alles um sie herum wirkte vertraut und anheimelnd. Trotzdem hatte sie sich noch nie so allein gefühlt.
Nach zwei Wochen, in denen sie gegrübelt und getrauert hatte, entschloss sie sich, endlich etwas gegen ihren Trübsinn zu unternehmen. Sie war nicht die erste Frau, die geliebt und den geliebten Mann verloren hatte, und sie würde nicht die letzte sein. Das Leben ging weiter.
Was trotzdem immer noch schmerzte, war, dass Gareth sie für eine Lügnerin hielt. Ohne ihn und seine tragische Geschichte zu kennen, war ihr die Idee auch nicht so abwegig vorgekommen, die Bilder seiner Mutter auszustellen. Sie war sicher gewesen, ihn überreden zu können. Aber das war, bevor sie ihn gekannt hatte.
Jetzt sah sie ihn vor sich, allein in den Bergen, zornig, verletzt. Und sie allein war schuld daran.
Schließlich belud sie ihren gelben VW-Käfer mit Lebensmitteln, die einen Monat reichen sollten, sowie mit ihren Malutensilien, und fuhr in die Berge von Nord-Georgia, wo sie ein kleines Haus gemietet hatte. Dort wollte sie nichts anderes tun als malen, schlafen und wieder malen.
Doch auf der Autobahn überfiel sie plötzlich eine solche Sehnsucht nach Gareth, dass sie auf den Parkplatz fuhr und sich auf der Landkarte ansah, wie weit es bis nach Virginia sein würde.
Leider musste sie sich eingestehen, dass sie keine Chance hatte. Gareth würde sie hochkant rauswerfen. Und außerdem wollte sie keinen Hass sehen in den Augen, die sie einst so voller Verlangen und Zärtlichkeit angeblickt hatten.
Also fuhr sie weiter, bis sie an eine Abzweigung kam, die der Wegbeschreibung entsprach. Es ging einen Feldweg entlang, und als sie schon dachte, er würde im Nirgendwo enden, sah sie ein kleines schäbiges Haus mitten in der Wildnis.
Die Farbe blätterte von den Wänden, die Veranda war windschief und der Garten verwildert. Glücklicherweise sah es drinnen etwas wohnlicher aus. Einen Moment lang dachte sie: welch ein Unterschied zu Gareths Luxusvilla.
In der ersten Nacht schlief sie schlecht. Sie kam aus der Stadt und war an Polizeisirenen, Verkehrslärm und laute Nachbarn gewöhnt. Hier war es nachts totenstill, und vor allem: Sie war mutterseelenallein. Nicht wie in den vergleichbar abgeschiedenen Wolff Mountains, wo Gareth bei ihr war, um sie zu lieben, zu halten, sie zu umsorgen.
Als sie es im Schlafzimmer nicht mehr aushielt, zog sie um auf die verglaste Veranda, rollte sich in einem Korbsessel zusammen und wartete, bis die ersten Vögel anfingen zu singen. Da erst rappelte sie sich auf, ging mit steifen Gliedern zurück ins Bett, und fiel sofort in einen tiefen, erschöpften Schlaf.
Viel änderte sich daran in den nächsten Tagen nicht. Sie aß wenig, malte nachts bei Kerzenlicht, und schlief tagsüber. Ihre Wasserfarben rührte sie allerdings nicht an. Stattdessen zeichnete sie mit Feder und Tusche in kraftvollen Strichen. Porträt auf Porträt entstand in ihrem Skizzenblock, und die meisten davon zeigten eine ganz bestimmte Person.
Leider war sie so geübt, dass ihre Gedanken während der Arbeit frei waren, umherzuwandern. Ihre kleine Welt war aus den Fugen, und sie wusste nicht, wie es mit ihrem Leben weitergehen sollte. Die Galerie leitete eine andere, und eine Zukunft mit Gareth konnte sie sich abschminken. Was nun?
Am achten Tag nach ihrer Ankunft regnete es in Strömen. Es stürmte, blitzte und donnerte, und der Regen prasselte auf das Blechdach der Hütte.
Sie verkroch sich ins Bett, und als sie in einen unruhigen Schlummer fiel, träumte sie von Gareth – von leidenschaftlichen Umarmungen und Momenten der Nähe, vom Lachen und Reden. Rastlos wälzte sie sich im Schlaf, als die süßen Umarmungen einem Albtraum wichen. Gareth wandte sich von ihr ab, verschwand im Dunkel.
Krachender Donner weckte sie, aber da war noch ein anderes, laut wummerndes Geräusch. Gracie brauchte ewig, bis sie wach genug war, um zu begreifen, dass jemand an ihre Tür hämmerte.
Zuerst wollte sie nicht hingehen, doch dann stand sie taumelnd auf, denn es konnte ja sein, dass ein Nachbar Hilfe brauchte.
Als sie vorsichtig durch
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