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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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okay?»
    Sheldon nickt für beide.
    «Gut. Dann mal los!» Er bleibt stehen, schaut die Straße entlang und beginnt zu zählen.
    «Zehn.»
    Paul bleibt stehen und schaut ihn an.
    «Neun.»
    Nichts geschieht.
    «Acht.»
    Ein Vogel kackt Sheldon genau vor die Füße, was Paul zum Lachen bringt, doch Sheldon hebt den Zeigefinger und sagt: «Konzentration!»
    «Sieben.»
    Die kühle Brise bläst vom Fluss her, in Begleitung einer kühlen Wolke, die Sheldon nur einen Augenblick lang die Augen schließen und selig träumen lässt.
    «Sechs.»
    Nichts.
    «Fünf.»
    Sheldon reckt den Daumen höher, mit größerer Zuversicht.
    «Vier.»
    Er schließt erneut die Augen und konzentriert sich. Fokussiert nun tatsächlich seine mentalen Energien. Worauf, da ist er sich nicht ganz sicher. Er versucht sich vorzustellen, wie das schwedische Frauen-Volleyballteam die Fahrt verlangsamt und ihn nach dem Weg in den Himmel fragt. Gut möglich, dass Bill ihm diese Vision eingepflanzt hat.
    «Drei.»
    Ein Nickerchen wäre jetzt etwas Großartiges! Wer wird dem Jungen erklären, dass seine Mutter tot ist? Wie lange soll er noch warten, bis er zur Polizei geht?
    «Zwei.»
    Könnte es sein, dass der Mörder irgendwie von der Existenz des Sommerhauses erfahren hat? Bestimmt war ihm etwas entgangen.
Ist mir etwas entgangen?
    «Eineinhalb.»
    Werden sie es noch einmal mit einem Baby versuchen? Oder war es das? Das Ende der kleinen Familie?
    «Eins.»
    Und dann, wenn auch nicht ganz pünktlich, aber doch höchst willkommen, kommt ein Pick-up mit sechs Jägern und ihren Gewehren um die Ecke und bleibt stehen.
    Ein schmuddeliger Mann Anfang vierzig in einem T-Shirt hängt sich aus dem Fenster. In freundlichem Ton sagt er etwas auf Norwegisch. Paul – so scheint es – will schon etwas erwidern, als Sheldon die Stifte aus dem Mund nimmt und pathetisch und auf Englisch ausruft: «Mann, bin ich froh, dass ich euch sehe, Jungs. Unser Wagen ist ein paar Kilometer von hier liegengeblieben, und mein Enkel und ich versuchen, zu einer Hütte in der Nähe von Kongsvinger zu gelangen. Ihr könntet uns nicht zufällig ein Stück mitnehmen, oder?»
    Der Mann will gerade etwas antworten, als Sheldon sich mit einem Taschentuch über die Stirn wischt und sagt: «O ja. Ein paar nette kalte Bierchen, etwas gutgekühlter Weißwein und ein ordentlicher Batzen Schweinefleisch. Genau das könnten wir heute Nachmittag gebrauchen. Tatsache ist, ich muss noch zum Weinmonopol in der Stadt, bevor wir da zur Hütte fahren. Ich könnte euch wohl nicht zu einem kleinen Barbecue überreden, bevor ihr wieder in den Wald fahrt, um Hasen zu schießen, was? Da fällt mir ein, ich sehe ja gar kein Wild in eurem Wagen. Habt ihr gar nichts erlegt?»
    Ein Großer auf der Rückbank rutscht unruhig hin und her und macht ein düsteres Gesicht. Sein Freund neben ihm auf der Bank sticht ihm den Finger in die Seite. «Tormod hat danebengeschossen.»
    Tormod nickt. «Ich hab danebengeschossen.»
    «Armer Tormod. Viel Glück beim nächsten Mal. Und, wie schaut’s aus?»
    Heute ist der vierte Tag. Was passiert ist, ist passiert, und dann sind sie geflohen. Sie haben im Hotel übernachtet, sind dann aufs Wasser umgestiegen, haben in dem blauen Haus bei dem Fjord geschlafen, das Land per Traktor und Bootsanhänger durchpflügt und schließlich ihr Lager auf Jackson’s Island aufgeschlagen. Nun sind sie wieder unterwegs und schaffen das letzte Stückchen hoffentlich auch noch.
    Eine ganz schöne Weile, die er schon mit dem Jungen unterwegs ist. Und jeden Augenblick kann das Kartenhaus in Pauls Kopf zusammenbrechen, kann ihm das ganze Ausmaß des Schrecklichen bewusst werden. Wenn er jetzt anfängt, sich damit auseinanderzusetzen, kann ihm das den Boden unter den Füßen wegreißen. Und was soll Sheldon dann machen? Paul wäre nicht mehr sein Gefährte, sondern seine Geisel. Und so etwas tun Freunde einander nicht an.
    Per Anhalter zu fahren ist gefährlich. Aber eine Strategie ändert sich entsprechend den Umständen. Und jetzt ist es die richtige Zeit, hier mal ein Stück mitzufahren und zu hoffen, dass die Polizei bei ihrer Jagd nach dem Mörder schon etwas weitergekommen ist.
    Sheldon hat es sich auf irgendjemandes Seesack auf der Ladefläche des Ford F 15 bequem gemacht. Sie fahren auf der gepflegten Landstraße an winzigen Seen und Tümpeln vorbei, die ins Blickfeld geraten und wieder daraus verschwinden. Gewelltes Hügelland erstreckt sich vor ihnen. Die Straße schlängelt sich, dann

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