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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben
Autoren: Derek B. Miller
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der Leute aus Grünerløkka, aber sie ist auch nicht mit Uhren und Schmuck behängt wie der alte Geldadel aus Frogner.
    Vielleicht kommt sie aus Skøyen oder St. Hanshaugen. Vielleicht aus einer hübschen Ecke von Bislett.
    Die junge Frau redet rasch und selbstbewusst. Sie strahlt Integrität und Zielstrebigkeit aus, aber auch ein gewisses Maß an jugendlicher Unreife.
    «Er ist kein schlechter Mensch», sagt sie zu Sigrid. «Er ist ein guter Mensch. Er ist einfach nur dumm. Dumm wie Stroh. Dumm, dumm, dumm …»
    «Okay, ich verstehe. Was hat er getan?»
    «Also, gestern Abend kam er nicht nach Hause, das ist schon mal das eine. Er fragte mich wegen dieses alten Mannes und des kleinen Jungen, und ich wusste nicht, was er meinte, und bat ihn, es zu erklären. Aber das wollte er nicht und sagte, ich solle ‹bei meinen Leuten› rumfragen … was auch immer das heißen soll, na ja … also, ich wurde halt wütend und sagte ihm, die Serben seien ebenso wenig ‹meine Leute› wie die Japaner, und da plusterte er sich vor mir auf, als hätte er einen ganz tiefen Einblick in die menschliche Seele und …»
    «Wo ist er jetzt?», fragt Petter, um sich ins Gespräch einzuklinken.
    «Jetzt? Sie meinen, jetzt im Augenblick? Ich habe keine Ahnung. Er ist verschwunden. Daher nehme ich an, er ist bei seinen gefährlichen Freunden. Gjon, Enver, Kadri …»
    «Enver Bardhosh Berisha? Kadri …»
    «Ja, ja, genau die. Kennen Sie die?»
    «Ja. Wo sind sie?»
    «Ich weiß es nicht. Aber Burim sagte, sie suchen nach dem alten Mann und dem Jungen. Ich glaube, die beiden haben etwas gesehen. Vermutlich versteckt sich der alte Mann mit dem Jungen. Sie müssen sie finden!»
    «Können Sie bitte noch ein paar Minuten hierbleiben?»
    «Ich habe doch nichts verbrochen!»
    «Nein, nein, darum geht es nicht. Wir sind Ihnen sehr dankbar. Ein paar meiner Kollegen müssen Ihnen nur ein paar Detailfragen stellen.»
    «Ich liebe ihn», sagt Adrijana. «Er ist bescheuert, aber er ist lieb, und er ist gut zu mir, aber er ist ein Trottel und benimmt sich wie ein verzogener Welpe, aber …»
    «Ich verstehe», sagt Sigrid. «Bleiben Sie bitte hier.»
    Draußen im Gemeinschaftsbüro winkt sie, um die Aufmerksamkeit ihrer Kollegen zu bekommen. Als sie das Gefühl hat, dass alle ihr zuhören, ruft sie laut:
    «Alles über Horowitz. Ich brauche jede noch so unwichtige Information. Her damit!»
    Ein stiller Mann namens Jørgen hebt die Hand. Sigrid breitet die Handflächen aus, um zu signalisieren, dass sie bereit ist, mit allem vorliebzunehmen.
    «Ich habe mit einem Beamten aus Trøgstad gesprochen. Er sagte, er habe gestern einen alten Deutschen angehalten. Er fuhr einen Traktor mit einem Bootsanhänger. Sein Enkel war bei ihm.»
    «Ein alter Deutscher und ein kleiner Junge.»
    «Genau. Er sagt, er kann sich genau daran erinnern, weil der Junge als jüdischer Wikinger verkleidet war.»
    «Als jüdischer Wikinger.»
    «Genau. Er hatte einen großen Davidstern auf der Brust und Hörner auf dem Kopf.»
    «Ein alter Deutscher fährt einen Traktor spazieren und hat einen jüdischen Wikinger auf einem Bootsanhänger dabei, und niemand von euch hält es für wichtig, mir das mitzuteilen?»
    «In der Meldung, die wir rausgegeben haben, war von einem alten Amerikaner die Rede. Da der Mann Deutscher war, hielten wir es nicht für wichtig.»
    Sigrid setzt sich auf den nächstbesten Stuhl. So langsam ist sie nicht mehr sicher, woher ihre Kopfschmerzen kommen. Heute Morgen war sie überzeugt davon, dass die Schmerzen von außerhalb ihres Schädels kamen. Jetzt ist sie da nicht mehr so sicher.
    Petter steht noch immer. Er sagt: «Scheint so, als hätte diese Frau recht.»
    «Welche Frau?»
    «Ms. Horowitz. Sie sagte, es ist von Bedeutung, dass er Jude ist. Vielleicht hätten wir es in der Suchmeldung erwähnen sollen.»
    «Glaubst du?» Sie schüttelt den Kopf und fragt: «Sind wir das naivste Volk in ganz Europa?»
    «Also, es hat da vor kurzem eine Untersuchung gegeben …»
    «Ich will’s gar nicht wissen.»
    «Wenn wir die Fundstelle des Bootes berücksichtigen und dann eine Linie zu der Stelle ziehen, an der der Traktor gesichtet wurde, können wir davon ausgehen, dass sie sich in nordöstlicher Richtung von Drøbak wegbewegen.»
    «In Richtung Sommerhaus.»
    «Mehr oder weniger.»
    «Ist der Traktor noch mal gesehen worden?»
    Jørgen schüttelt den Kopf.
    «Ruft jede Einheit zwischen Trøgstad und Kongsvinger an und sagt ihnen, sie sollen Streifen aussenden
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