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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben
Autoren: Derek B. Miller
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Petter.
    Aus dem Radio dringen Knistergeräusche. Sigrid stellt sich die Einsatzzentrale im Polizeirevier vor und malt sich aus, wie auf den Bildschirmen die Routen aller Einsatzfahrzeuge zu sehen sind, die auf das Sommerhaus zusteuern.
    Es ist eine überstürzte Aktion, das ist ihr klar, aber die Beredskaptroppen stehen bereit. Auch sie haben die Satellitenaufnahmen des Geländes um die Hütte gesehen und bemerkt, dass es nur eine Zufahrtsstraße gibt. Sie haben den Sonnenstand in Bezug auf die natürlichen Verstecke überprüft, um Scharfschützen und Eingreiftruppen positionieren zu können. Höchstwahrscheinlich sind die Kosovaren bewaffnet. Im ganzen Land gibt es eine Menge unregistrierter Waffen, und die Kriminellen nutzen diese Schwäche schneller aus, als der Staat dem entgegenwirken kann. Vielleicht haben sie auch die beiden Jagdgewehre gefunden, die auf Lars Bjørnson zugelassen sind. Es sei denn, Lars war noch vor ihnen da. Oder Horowitz. Was bedeutet, dass alle bewaffnet sind und die Situation leicht kippen kann.
    Sigrid trommelt nervös mit den Fingern auf den Knien und schaut, wie schnell Lars fährt.
    «Können wir nicht noch ein bisschen schneller fahren?»
    «Doch, aber das sollten wir nicht.»
    Sie trommelt schneller und schaut wieder zum Fenster hinaus.
    Flussratten. Der Brief des alten Mannes war ein Zitat aus
Huckleberry Finn
, dem Roman, in dem Mark Twain gegen die Sklaverei in Amerika anschreibt. Huck brennt darin zusammen mit dem Sklaven Jim durch, sie fahren den Mississippi entlang und versuchen, ihrer Gefangennahme zu entgehen, obwohl sie gar nichts verbrochen haben. Sigrid hatte es im Internet eingegeben, und gleich darauf hatte sie die Stelle, mit exakt den Schreibfehlern wie auf dem Zettel.
    Sie trommelt mit den Fingern auf die Ablage.

    Es war vermutlich aus Mitleid, dass die Jäger Sheldon und Paul den ganzen Weg nach Glåmlia brachten. Sicher lag es nicht auf ihrer Strecke, auch wenn sie nach Norden unterwegs waren. Nach einer Pinkelpause hatte sich Sheldon in die Fahrerkabine gesetzt. Seine Knochen waren ganz steif von der Fahrt auf der Ladefläche. Fast eine Stunde waren sie unterwegs, aber jetzt sind sie am Ziel. Und Sheldon erblickt in einiger Entfernung genau das am Wegesrand, was seine größte Befürchtung war.
    Der Ford-Pick-up nähert sich einem weißen Mercedes 190 D , der direkt an dem Feldweg hinter einem gelben Toyota Corolla Baujahr schätzungsweise 1995 geparkt hat.
    «Halten Sie an», sagt Sheldon zu dem Fahrer.
    Knirschend kommt der Pick-up hinter dem Mercedes zum Stehen. Der Wagen, nur einen Meter entfernt, sieht aus wie ein schlafender weißer Panther, der darauf wartet, dass man ihn am Schwanz zieht.
    «Ist das hier die richtige Abzweigung?», fragt der Fahrer.
    Eine gute Frage. Sheldon schaut die Straße entlang. Er war selbst noch nie hier – er kennt nur das Foto.
    «Sehen Sie einen weißen Mercedes?», fragt Sheldon den Fahrer.
    Er ist ungefähr 35 Jahre alt und hat einen Blondschopf über seinem sonnengebräunten Gesicht. Er ist Raucher und viel draußen in der freien Natur. Die Frage irritiert ihn nicht. Er schaut einfach zum Wagen und dann wieder zu Sheldon hinüber. Solche Fragen sind ihm vermutlich von seinem eigenen Großvater vertraut. Er antwortet freundlich.
    «Ja, sehe ich.»
    Seit Wochen hat Sheldon keine Koreaner mehr gesehen. Keinen einzigen in den Schatten. Und jetzt steht hier das weiße Auto vor dem Sommerhaus seiner Enkelin. Nach allem, was war. Sie wussten nicht nur, wo sie ihn finden würden. Sie sind auch noch als Erste da.
    Ich kann ihm keinen Schutz mehr bieten. Ich muss den Jungen abgeben.
    «Das ist so was von enttäuschend, mir fehlen die Worte!»
    «Kann ich noch irgendwas für Sie tun?»
    Das fragt Sheldon sich auch. Der Fahrer sieht aus wie ein richtiger Naturbursche. Seine wettergegerbte Haut und seine grobhäutigen Hände hat er von friedlichen Aktivitäten. Weil er auch im Winter keine Handschuhe trägt, damit das Gewehr besser in der Hand liegt. Oder weil er sich auf die harschige Schneedecke legt, um mit einer Taschenlampe zwischen den Zähnen nach dem Haken zu suchen, mit dem er das Auto eines Freundes aus dem Graben ziehen kann. Vom Barfußlaufen in der Sauna. Oder weil er beim Segeln ein Seil zu früh loslässt und sich die Handflächen daran verbrennt.
    Als hätte er auf Sheldon gewartet, taucht sein Freund Bill am Wagenfenster auf.
    Bill lehnt sich zum Fenster herein.
    «Worüber denkst du gerade nach, Sheldon?», fragt
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