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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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Mädchen, das er jemals gesehen hatte. Außerdem zeigte er sich stets tief beeindruckt von ihrer ungeheuerlichen Intelligenz, ihrem Witz und ihrem unvergleichlichen Anstand und Pflichtbewusstsein wie man es selten noch bei ihren Altersgenossinnen fand. Während Tony ihm meist stumm lauschte und nickte, fand er dabei nichts in Roberts Reden, dem er widersprechen hätte können.
    Und nun, nach einigen Wochen in Shropshire, erweckte es tatsächlich den Anschein, als kämen die beiden zumindest ein wenig voran in ihrer komplizierten Beziehung, denn sie sprachen miteinander, was sie weitaus häufiger als zuvor taten, wobei sie jedoch oft stritten: sie stritten über Literatur und Kunst, sogar über Politik und Wissenschaft. In jeglichem Thema waren sie sich uneins, aber sie diskutierten dennoch alles überaus gerne und manchmal durchaus über einige Stunden hinweg. Dass sie nun plötzlich schwiegen, wo Tony auf einem der eleganten, gewebten Stühle an dem runden Tisch Platz nahm, konnte üblicherweise nur eines bedeuten: eben noch mussten sie ihren liebsten Streitpunkt erörtert haben, der in Tonys Anwesenheit absolut tabu war, denn er mochte es nicht, wurde über sie gesprochen und er mochte es noch nicht einmal, musste er ihren Namen laut ausgesprochen hören. Wann immer dies geschah, löste es in ihm die unangenehmsten Regungen aus. Er wurde dann beunruhigt und quälte sich mit den immer gleichen Fragen, also schwiegen Vicky und Robert nun eilig, wo sie eben noch über sie gesprochen haben mussten.
    Tony gab jedoch vor, er habe den Grund für ihre Verschwiegenheit nicht mit Leichtigkeit erraten, lächelte etwas halbherzig und nahm einen Schluck von seinem Tee, während seine Gastgeber für eine kurze Weile die Lippen verschlossen aufeinander pressten, um dann an sein Gespräch über das bemerkenswerte Wetter anzuknüpfen.
    Vicky nickte also äußerst zustimmend. „Es ist jetzt schon sehr schön, nicht wahr?“ meinte sie fröhlich und legte dabei entspannt beide Unterarme auf den Tisch. „Sicherlich werde ich später ein wenig in der Sonne lesen.“
    „Ich kann nichts tun, wenn es wirklich heiß wird,“ befand Robert weiterhin, während er sich die Hemdärmel zurecht zog. Die beiden hatten scheinbar schon aufgegessen und saßen noch am Tisch, weil sie Kaffee trinken mochten und sich angeregt unterhalten hatten. „Ich vertrage ein solches Wetter nicht.“
    Er konnte es nicht ahnen, aber schon diese winzige Bemerkung löste in Tony, während er sich etwas Brot zurecht schnitt, unendliche Erinnerungen aus: daran, dass seine Verlobte niemals hatte in die Sonne gehen wollen, an ihre papierdünne, weiße Haut, an ihr instabiles, ungesundes Wesen und daran, wie sie stets geklagt hatte über die Natur und Sonnenstrahlen, wobei er sowohl liebevoll als auch ausgesprochen ungerne an all diese gemeinsame Erlebnisse zurückdachte. Niemals hatte sie mit ihm ausreiten wollen im Sommer deshalb, sondern immer nur am Bassin im Stall sitzen wollen und dann hatte sie über das Stroh und die Spinnweben geklagt.
    „Ich denke, ich werde ins Dorf reiten, heute,“ verkündete er, als er sich mit etwas Gewalt zurück gerissen hatte an den Frühstückstisch. „Mein Pferd braucht dringend neue Hufeisen. Ich habe mir damit schon viel zu lange Zeit gelassen.“ Tony hatte nicht unter fremde Menschen gehen wollen in der letzten Zeit, wenn er ehrlich war, denn er war mittlerweile wohl etwas misanthropisch geworden.
    „Es ist nicht weit,“ teilte Robert ihm aufmunternd mit. „Und es ist wirklich ein sehr hübscher Ort.“
    „Nun, sonderlich aufregend ist es nicht,“ musste Vicky daraufhin sofort bemerken, wobei sie ihre knochigen Schultern zuckte, aber weiterhin lächelte und Tony mit einem warmen Blick bedachte. „Und man kann es kaum als ein Dorf bezeichnen, es besteht nur aus einigen Häusern, ein paar Höfen, einer Mühle und natürlich einem Pub.“
    Wie froh er war, dass er und Vicky inzwischen derart freundschaftlich miteinander umgehen konnten! Sie war ihm eine großartige Gastgeberin und in allen Belangen eine große Hilfe. Zudem hatte sie Roberts Bewunderung dringend verdient, denn sie war klug und humorvoll. Was Tony jedoch derzeit am Besten an ihr gefiel, war die Tatsache, dass sie gänzlich unkompliziert war: wenn die Sonne schien, dann genoss sie es und vermutlich genau deshalb hatte ihre Haut auch einen sehr schönen, warmen Olivton.
    Tony legte sein Brot auf den Teller und hob ein wenig die Augenbrauen, seufzte und sah

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