Ein silbernes Hufeisen
oder Stirne wischte oder ob sie ihm spielerisch gegen den Arm schlug, wenn er ihr etwas Ungebührliches gesagt hatte. Diesmal jedoch fühlte es sich anders an, was sie mit ihm tat – beinahe war er sich sicher, dass sie versuchte, zu flirten.
Also streckte Marion eilig den Rücken durch, richtete sich auf und ging einige, wenige Schritte, um etwas Abstand zu gewinnen, denn er wollte nicht mit ihr flirten. Er wollte nicht mehr von ihr wissen, es wäre dumm von ihm. Sie verstanden sich sehr gut, oder etwa nicht? Nun, wenn etwas geschah zwischen ihnen, dann würde dies nicht mehr der Fall sein, und dann wäre Marion wieder alleine. „Deine Tante ist im Dorf und meine Mutter hat heute frei, ich kann also bis zum Abend bleiben,“ wechselte er bemüht das Thema, während er interessiert gegen die warmen Wände blickte. „Aber später möchte ich noch einmal nach den Rosen sehen. Dieses Jahr sind sie rosa und sie haben sehr große Köpfe, aber sie leiden deshalb auch besonders unter der Hitze.“ Im Grunde wusste er nicht, was er sagte. Er redete einfach, damit es nicht still war bis er sich selbst zügeln konnte und die Handflächen ineinander drückte.
„Du bist wirklich gut darin, nicht wahr?“ überlegte Guinievaire nach einer kleinen Pause weiter. „Ich meine, der Garten sieht wunderschön aus und glaube mir, ich bin normalerweise ganz und gar kein Freund der Natur. Warum verschwendest du dein Talent bloß hier?“
Unweigerlich musste Marion sie daraufhin ansehen, denn er war überrascht davon, wie gut sie ihn zu verstehen schien, einfach weil sie beide sich sehr, sehr ähnlich waren – sie waren alleine und gelangweilt und sie hatten ein immenses Geltungsbedürfnis, das Shropshire nicht zu halten vermochte.
„Nun, wo sollte ich es deiner gelehrten Meinung nach wohl verschwenden?“ erkundigte er sich schließlich etwas gereizt bei ihr, weil dies nun einmal ein wunder Punkt war, den er sich nicht eingestehen mochte: jeden Tag dachte er darüber nach, fortzugehen, Karriere zu machen und ein Vermögen, ein aufregendes Leben zu leben, denn er hasste diesen Ort und die Aussichten, die er ihm bot, aber dennoch tat er es niemals. Immer war er feige und immer hatte er Ausreden, warum er bleiben musste.
„Ich denke, du solltest weit fort gehen,“ schlug sie derweil vor, während Marion unzufrieden mit sich war. „Nach Amerika zum Beispiel und dort kannst du den Menschen erzählen, du wärest ein sehr berühmter Landschaftsarchitekt in England. Glaube mir, Marion, reiche Leute sind unverschämt leichtgläubig, bietet man ihnen eine Gelegenheit, um etwas Geld auszugeben. Du könntest arbeiten und selbst reich werden. Und außerdem, wenn du ohnehin schon gehst, dann könntest du mich auch mitnehmen.“
Wie aus einem plötzlichen Impuls heraus lachte er hohl über diesen Plan und verschränkte die Arme, aber dies tat er vermutlich nur, weil sie ihn unsicher gemacht hatte. Sollte all dies nicht wesentlich abwegiger klingen in seinen Ohren? Das Leben war kaum so leicht, wie sie es ihm ausmalte und dennoch dachte er in diesem verlockenden Moment einzig daran, dass er ein wenig Geld gespart hatte.
„Warum sollte ich dich mitnehmen?“ entgegnete er, wobei er ihren leuchtenden Blick auffing, um abzulenken von ihrem ursprünglichen Plan, indem er sie etwas provozierte. Er verhielt sich ausgesprochen erwachsen, beglückwünschte er sich zugleich.
„Du wirst mich doch nicht in Shropshire verkommen lassen wollen,“ erwiderte sie sofort empört und mit weiten Augen, während Marion sich auf ihrem Bett niederließ, denn nun dachte er doch nach, und all die Gedanken packten ihn so sehr, dass er sich kaum noch aufrecht halten konnte. Immerhin war sie die erste Person, der er jemals begegnet war, die ebenfalls der Meinung war, er solle die Initiative ergreifen und nicht hier bleiben. Beinahe setzte er sich auf ihr silbernes, graviertes Zigarettenetui, als er sich auf ihren unordentlichen Laken gegen die Wand schob. Es lag offen. Etwas war darin eingraviert, vermutlich auf Latein. Marion mochte den Klang der Worte, selbst wenn er sie nicht verstehen konnte: tam bene convenias, quam mecum convenit illi , stand dort. Das Etui war beinahe leer, denn Guinievaire rauchte sehr gerne, trotz der schlechten, stickigen Luft in ihrem Zimmer, und dabei klagte sie stets, wie sehr sie sich ein Bier wünschte zu ihrer Zigarette. Zuweilen war Marion durchaus beeindruckt von ihren unangemessenen Verhaltensweisen.
„Nun,“ seufzte er,
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