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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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weder Tony noch sein runder Vater legten sonderlich viel Wert auf teure, exquisite Teppiche, ein ansprechendes Farbkonzept oder gar auf geschmackvolle Bilder an den zuweilen kahlen Wänden. Dabei war besonders Ersterer ein unbeschreiblich gründlicher Chaot, was sich vor allem in seinem Zimmer im ersten Stock bemerkbar machte, in dem stets einzig und allein unverhohlene Unordnung regierte. Unzählige Bücher und lose Blätter stapelten sich dort auf dem Schreibtisch und auf dem dazugehörigen Stuhl häufte sich stets die viele, schmutzige Wäsche, die bei seiner Arbeit anfiel. Neben dem winzigen Kleiderschrank lehnte meist mindestens ein Paar vollkommen verdreckter und verkrusteter Reitstiefel, in der hinteren Ecke stand ein verstaubtes Schachspiel und auf der schmalen Fensterbank fanden sich hin und wieder sogar halb aufgegessene Äpfel oder Gläser mit abgestandenem Wasser. An der linken Wand hing außerdem ein riesenhaftes Barockgemälde, das eine braune, scheußliche Schlacht von historischer Relevanz darstellte und ihm gegenüber, wenn auch erst seit Kurzem und auf besondere Veranlassung Guinievaires hin, prangte ein rechteckiger Spiegel mit einem massiven, dunklen Rahmen, passend zu der rostbraunen Bettwäsche auf dem alten, aber robusten Bett, auf dem besagtes Fräulein Hastings zusammen mit ihrem nachlässigen Lehrer lag, diesen in diesem Moment heftig und gründlich küsste und sich dabei redlich darum bemühte, die unattraktive Umgebung ganz einfach zu vergessen, was ihr bisher sogar bemerkenswert gut gelang. Ihr Kopf war gänzlich leer und das musste er auch sein.
    Dabei pausierte Tony nun kurz, denn seine Lippen begannen bereits zu spannen und etwas zu schmerzen, immerhin gingen sie dieser herrlich sinnlosen Beschäftigung schon seit einiger Zeit nach. Jedoch tat er dies nur, um in einem ausgesprochen zufriedenen Tonfall zu verkünden, wie zufriedenstellend jene Zerstreuung ihm erschien.
    „ Den ganzen Tag hindurch könnte ich dich küssen,“ sagte er seiner Schülerin glücklich, während er über ihr lehnte und ihre wie üblich kühle Person in den wärmenden Armen hielt.
    Sie schien jedoch in ihrem herrlichen Kopf schon wesentlich weiter gedacht zu haben, als sie ein weißes Bein um Tonys Hüfte schlang und sie ihre pinken Lippen an sein Ohr legte. „Ich wüsste etwas Besseres, das wir tun könnten,“ flüsterte sie mit einer gewissen Dringlichkeit in der Stimme.
    Dies war ein Verhalten, welches Tony inzwischen allzu gut von ihr kannte, denn Guinievaire versuchte nun schon seit einiger Zeit mit einem beeindruckenden Nachdruck, genau das zu bekommen, was die meisten Menschen auf ausgiebiges Küssen im eigenen Bett in den eigenen vier Wänden folgen ließen. Vorausgesetzt natürlich, sie standen sich um Einiges näher, als sie beide es taten, also tat er auf ihren Vorschlag hin lediglich, was er bisher stets getan hatte: sehr behutsam entfernte er ihr langes Bein, um es wieder auf die Matratze zu legen. „Das dürfen wir aber nicht tun, Guinievaire,“ mahnte er sie dabei mit einer strengen und zugleich schweren Stimme.
    Seine Liebste teilte diese Meinung jedoch nicht. „Oh, Tony,“ hauchte sie in einem gefälligen Tonfall. „Sei nicht langweilig.“
    Dieser empfand jene kleine Bemerkung ihrerseits beinahe schon als Beleidigung, denn es bereitete ihm immerhin kaum eine sonderlich große Freude, seine schöne Angebetete wieder und wieder zurückzuweisen, seit Wochen schon. Unglücklicherweise befanden die beiden sich aber nun einmal in einer gefährlich vagen Situation, in der sie sich nicht einfach vergessen konnten, einzig weil sie es sich vielleicht wünschten. Was würde geschehen, sollte jemals bekannt werden, wie weit sie miteinander gegangen waren, ohne dass Versprechungen gemacht worden waren? Vor allem Guinievaire und ihr Ansehen würden dann unter dem aufgeregten Geschwätz leiden müssen, was Tony unter keinerlei Umständen zulassen konnte, selbst wenn seine Angebetete sich bisher offensichtlich nur sehr wenige Sorgen zu machen schien um etwas derart Kostbares, wie den unbefleckten Ruf in der gehobenen Gesellschaft. Umso mehr war es also Tonys Aufgabe Vorsicht walten zu lassen, nicht nur um seinetwillen, der zuvor schon den Fehler gemacht hatte, zu früh intime Beziehungen einzugehen, sondern ganz besonders auch für sie, die manchmal sehr dringend eine umsichtige Aufsicht benötigte.
    Und deshalb griff er auch zu dieser Gelegenheit einmal wieder bestimmt nach ihren raffinierten, langen

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