Ein silbernes Hufeisen
hatten. Tony hingegen war im Gegensatz zu ihnen tatsächlich an der vollständigen Person Guinievaire interessiert, wie sie war, was sie dachte, woher sie kam und warum sie ihn liebte.
„ Ohne dich wäre mein Leben vollkommen wertlos,“ erklärte er ihr, dabei lehnte er seinen Kopf gegen den ihren und zugleich meinte er diesen Satz eben so, wie er ihn aussprach: seitdem er sie an seiner Seite wusste, hatte alles andere, was ihn zuvor beschäftigt hatte, ungemein an Relevanz verloren, was zuweilen erschreckend sein konnte. Tonys Vater zum Beispiel, der ihm in seinem bisherigen Leben stets der liebste Mensch gewesen war, stand Guinievaire meist leider etwas skeptisch gegenüber, aber Tony kümmerte seine Meinung in dieser Angelegenheit noch nicht einmal sonderlich, überzeugt davon, dass sein Erzeuger sich in ihr irrte, wie so viele Menschen es unbestreitbar taten.
Guinievaire lächelte daraufhin lediglich bescheiden und schlug die weißen Lider nieder, dabei schmiegte sie ihre Formen fester in seinen liebenden Griff. Natürlich war dieses Mädchen nicht weniger als ein Engel, dachte er hingerissen.
„ Darf ich dich nun weiter küssen?“ schlug er vor, woraufhin sie tatsächlich das schöne Haupt drehte um einen kleinen Kuss auf seinen Lippen zu platzieren. Dann machte sie sich jedoch unsanft los von ihm.
„ Nein,“ entgegnete sie ihm eisig. „Es langweilt mich inzwischen zu sehr.“
Tonys Fäuste ballten sich, während sie weiter ziellos durch sein Zimmer schritt, um dann auf seinem Schreibtisch nach etwas zu greifen, das er nicht erkennen konnte. All seine Beherrschung kostete es ihn, nicht wütend zu werden auf sie, nicht laut zu seufzen über ihr Verhalten oder gar zu fluchen.
„ Vielen Dank,“ murmelte er leise und beleidigt. „Du bist zu gütig.“ Guinievaire beachtete ihn jedoch auch weiterhin ganz einfach nicht und Tony verstand sie deswegen nicht. Er verstand nicht, warum sie ihre Beziehung unbedingt vertiefen wollte, als wolle sie sich mit diesem Schritt etwas beweisen, woran sie zweifelte, solange sie seine Schülerin blieb und nicht mit Haut und Haaren seine Geliebte wurde. Könnte er doch in ihren Kopf sehen! Und könnte sie verstehen, dass er sie liebte und respektierte und mit ihr zusammen sein wollte, wie es sich gehörte.
„ Darf ich in deinem Zimmer rauchen?“ fragte sie aus heiterem Himmel heraus, weswegen Tony sich müde die Augen rieb. Langsam, aber sicher strapazierte sie ihn zu sehr.
„ Nein,“ murrte er also bestimmt.
Warum nur wollte sie diese eine Sache mit ihm tun, mehr als alles andere? War es nicht zu früh dafür und warum konnten sie damit nicht bis nach der Hochzeit warten, wie jedes normale, zufriedene Paar es tat? Tony hatte dabei nicht unbedingt religiöse Gründe für diese Einstellung, und natürlich war er selbst auf diesem Gebiet schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr, aber mit Guinievaire wollte er sich mehr Zeit lassen als zuvor, denn er hatte sehr wohl das Gefühl, sie noch nicht gut genug zu kennen, wobei er jedoch ernste Pläne hatte. Wenn sie in Zukunft diesen Schritt machen sollten, wollte er auch in der Lage sein, es vollkommen sorgenfrei und unbefangen genießen zu können, als ihr Verlobter oder am Besten sogar als ihr Ehemann. Denn es war etwas Besonderes, genau wie Guinievaire etwas Besonderes war.
„ Wie schade,“ seufzte sie gespielt enttäuscht, daraufhin spazierte sie wiegenden Schrittes hinüber zum Fenster, welches sie bestimmt öffnete, um schließlich mit einer eleganten Bewegung auf das hölzerne Sims zu steigen. Innerhalb weniger Sekunden saß sie schließlich im offenen Fensterrahmen und ließ die Beine aus dem Gebäude hängen, während Tony entgeistert beobachtete, wie sie ein silbernes, graviertes Etui aus ihrem Ausschnitt zog und sich mithilfe der Streichhölzer, die sie scheinbar auf dem Schreibtisch gefunden hatte, eine lange, dünne Zigarette ansteckte.
„ Guinievaire!“ rief Tony überaus ermüdet.
Sie neigte lediglich den Kopf und machte große, unschuldige Augen. „Was hast du?“ verteidigte sie sich. „Du hast gesagt, ich darf nicht in deinem Zimmer rauchen, also rauche ich aus deinem Zimmer heraus.“ Diese kluge Vorgehensweise illustrierte sie mit einer eleganten Handbewegung und einem überheblichen Lächeln. Wie ein kleines, verwöhntes Kind benahm sie sich in diesem Moment, dachte Tony zornig, und er fragte sich wieder einmal, wie sich dieses Betragen bei ihr hatte ausprägen können, denn inzwischen
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