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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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natürlich, befand sie sofort, denn auf Tony hatte sie sich immer verlassen können, selbst wenn sie schon seit mittlerweile fünf Monaten auf ein Lebenszeichen von ihm wartete. Wo konnte sie jedoch nach ihm suchen? Marion hatte sich derweil angekleidet und kam nun zu ihr herüber, wo er seine mächtigen Arme um sie legte.
    „Packe nicht zu viel ein,“ sagte er mit sanfter Stimme, während seine Hände auf ihre Hüften und tiefer glitten. Guinievaire nickte ihm lediglich etwas abwesend zu, wobei er langsam ihren Hals und ihre Schultern küsste. Warum nur fühlte sie sich plötzlich so merkwürdig schuldig, während er dies tat und während sie die Hand auf seinen Schopf legte und sich bemühte, seine Berührungen aufs Neue zu genießen? Sie war albern, das wusste sie, aber zugleich musste sie auch unvermeidbar an ihn denken, denn nun fühlte sie sich, als hätte sie ihn betrogen und schrecklich hintergangen. Seit Monaten hatte sie ihn nicht mehr gesehen, aber er saß ihr tief unter der Haut und in jeder einzelnen Zelle.
    „Nein,“ antwortete sie Marion artig und dann, weil sie das Gefühl hatte, es nicht mehr länger zu ertragen, löste sie sich aus seinem Griff, ging ein paar Schritte und sah aus dem Fenster. „Verdammt,“ platzte es dort sofort mehr als unversehens aus ihr hervor. Ihre Augen weiteten sich zugleich. Wie zum Teufel konnte dies sein?
    Marion war ihr zu ihrem großen Unglück gefolgt. „Was ist los?“ fragte er etwas verwirrt, dabei folgte er ihrem Blick und sah ihn deshalb wohl ebenfalls unter dem krummen Baum stehen.
    Guinievaire trat eilig noch näher an die Scheiben, um sich wirklich sicher sein zu können, aber natürlich war er es, es war ganz und gar unverkennbar: er trug seine glänzenden Reitstiefel, die engen Hosen, die er sonst für die Arbeit benötigte und ein Hemd, von dem Guinievaire ihm nicht gestattet hätte, in ihm vor die Türe zu gehen. Was zum Teufel tat er bloß hier?
    „Wer ist das?“ wunderte Marion sich, wobei er wieder hinter ihr stand und wieder platzierte er dort einen kurzen, warmen Kuss auf Guinievaires Schulter.
    „Das darfst du nicht,“ zischte sie daraufhin eilig und stolperte ein wenig zurück. In ihrem Kopf fluchte sie ununterbrochen: Verdammt, dachte sie immer wieder, verdammt, was tat er hier? Wie war er hierher gekommen? Hatte er sie gesehen?
    Marion sah sie vorwurfsvoll an und hob dabei die Augenbrauen. Was für ein Jammer war es doch in diesem Moment, dass er nicht etwas dümmer war. „Wer ist das?“ wiederholte er noch einmal ungeduldig, während er bestimmt dafür sorgte, dass sie ihn ansah. „Guinievaire, du kennst ihn.“
    Nun, an diesem Punkt musste sie sich wohl eingestehen, dass ihr Vorhaben gescheitert war. Sie hatte ganz umsonst mit ihm geschlafen. „Das ist Tony,“ murmelte sie kleinlaut, dabei sah sie schuldbewusst auf den Boden.
    „Wer ist Tony?“ erkundigte Marion sich weiter streng.
    Guinievaire zog die nackten Schultern zusammen. „Mein Verlobter,“ erwiderte sie schließlich.
    Als sie Marion wieder ansah, hatte er einen Mundwinkel missbilligend nach oben gezogen. Er warf ihr einen hässlichen Blick zu, dann drehte er sich wortlos und kopfschüttelnd um und verschloss die Türe hinter sich, zweimal. Guinievaire fand, dass dies eine ausgesprochen eifersüchtige Reaktion war für einen Mann, der angeblich nichts für sie empfand. Als sie nach seinem Verschwinden tief eingeatmet hatte und dann wieder aus dem Fenster blickte, war Tony immer noch da.

Letzter September
     
     
    Hin und wieder, wenn sie eigentlich Reitstunden haben sollten, nahm Tony Guinievaire, war sie einmal wieder besonders ungelehrig, mit zu sich nach Hause, anstatt seine Zeit mit dem Versuch zu verschwenden, ihr etwas beizubringen. Sein Vater hatte ihnen nach einigem Zögern sogar seine Erlaubnis dafür gegeben, nachdem Tony ihm mit typischer Inbrunst dargelegt hatte, wie viel Guinievaire ihm bedeutete, und so war das zumindest stattliche Haus der Fords, ein robustes Backsteingebäude in einer belebten Nachbarschaft, die von Guinievaires ausgesprochen snobistischem Viertel nicht weiter hätte entfernt sein können, zu der einzigen Fluchtmöglichkeit für die beiden Liebenden geworden, wo sie gänzlich unbesorgt sein konnten.
    Genau deswegen kam Guinievaire vermutlich auch gerne dorthin, selbst wenn das Interieur, das deutlich darauf schließen ließ, dass dieses Haus von zwei Junggesellen bewohnt wurde, sonst wohl kaum nach ihrem Geschmack gewesen wäre, denn

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