Ein Sommer mit Danica
sich zu.
»Geh hinein!« sagte Stana.
»Warum ich zuerst?«
»Du bist der Vater.«
»Auf einmal! Diese Weiber. Sie drehen das Leben um wie Flickschneider … immer die Seite, die ihnen paßt.« Er atmete tief auf und senkte den Kopf. Wie ein Stier brach er in das Zimmer und hoffte, damit die beste Ausgangsposition erworben zu haben.
Danica saß am Fenster und schien unversehrt zu sein. Sie trug ihr Kleid, und eigentlich hatte Robic erwartet, sie im Bett anzutreffen, überrascht, schwitzend, dampfend vor Liebe, in Saschas Armen … Väter haben manchmal eine schmutzige Phantasie. Statt dessen saß sie artig am Fenster, und Sascha – der Satan hole den Hund! – stand daneben und winkte mit einer Flasche Slibowitz.
»Mein Engel!« hörte Robic hinter sich Stanas Stimme. »Mein kleiner Engel. Ich bin so glücklich.«
Er sah Stana an sich vorbeirennen, vor Danica in die Knie sinken und sie umarmen. Das traf ihn mitten dort, wo auch andere ein Herz haben – er wackelte mit dem Kopf, bekam feuchte Augen, schnaufte tief auf und fuhr sich mit beiden Händen durch die stoppeligen grauen Haare. Alles, was er schreien wollte, war weg, wie fortgeblasen … es blieb nur der Drang, auch hinzulaufen und sein Töchterchen zu küssen.
Er machte ein paar Schritte, bremste dann aber vor Corell, nahm ihm die Flasche Slibowitz aus der Hand und setzte sie an den Mund. Erst dann ging er weiter, stellte seinen Koffer auf den Boden und ließ die Schlösser aufklappen.
»Ich habe deinen Mantel mitgebracht –«, sagte er mit schwankender Stimme. »Wenn es plötzlich kalt wird …«
»Und ich einen Pullover.« Stana griff in die große Reisetasche. »Und Wäsche zum Wechseln … und dein Nachthemd …«
»… und ich ein paar neue Schuhe –«, sagte Robic. »Und …«, er zögerte und starrte Corell wütend an … »Brot und Salz –«
»Und ich das Kopftuch, das ich als Braut getragen habe.«
Sie standen nebeneinander, mit all den Dingen in der Hand, zwei alte, von Sonne und Meer gegerbte Menschen, und sie wußten jetzt, warum sie nach Lipica gefahren waren, und warum sie gegen alle Widerstände dieser Welt gefahren wären, auch wenn Lipica hinter sieben Meeren gelegen hätte oder auf einem senkrechten Felsen oder bewacht von zwölf Teufeln tief unten im Schoß der Erde. Sie wären überall hingefahren, nur um das zu sagen, was sie jetzt sagten.
»Wir werden zusammenbleiben –«, sagte Corell.
»Wir werden heiraten. Und wir werden in Frankfurt alles neu machen … alles ganz anders …«, sagte Danica.
»Es ist zum Kotzen!« Robic setzte sich in den nächsten Sessel. »Ich bekomme einen Schwiegersohn, der älter ist als mein zweiter Bruder.«
»Gott segne dich, mein Engelchen –«, sagte Stana laut. »Wann wollt ihr nach Deutschland gehen?«
»In ein paar Tagen …«
»Erst muß ich noch nach Pula«, sagte Corell.
Danica blickte zu ihm hoch, in ihren Augen schimmerte Angst. Es war die einzige Angst um ihn, die sie noch hatte. Pula … die große Erinnerung … für Danica die letzte große Schlacht um Sascha, die sie gewinnen mußte. Sie schraken zusammen, als ohne anzuklopfen die Tür aufgerissen wurde und das Zimmer plötzlich voller Uniformen war. Miliz, bewaffnet, das Zimmer sofort in Besitz nehmend und die Personen einkreisend. Ein Offizier stürmte herein und musterte Corell mit verkniffenen Lippen. Hinter ihm erschien der Mann, der am Abend in der Rezeption gesessen hatte.
»Ja, das ist er –«, rief er. »Ein Deutscher –«
»Kommen Sie mit!« sagte der Offizier auf deutsch zu Dr. Corell. »Alle mitkommen!«
»Darf ich fragen, was diese Demonstration bedeutet?« sagte Corell.
»Sie dürfen.« Der Offizier legte die Hand auf seine Revolvertasche. »In diesem Hotel ist heute nacht aus vier Zimmern Schmuck gestohlen worden. Es hat keinen Sinn zu leugnen. Sie sind der einzige, dem es zuzutrauen ist. Eine ganze Familie auf Diebestour! Mitkommen. Hände in den Nacken!«
Das alte Lied, dachte Corell und wunderte sich nicht. Das Schicksal haut mich in die Pfanne, wo immer es möglich ist, als wäre ich ein riesengroßes Ei. Aus mir backt man die Omelettes, an denen sich die anderen gesund fressen.
11
Die Fahrt von Lipica nach Köper zum Kommando der Miliz war eine einzige Auseinandersetzung zwischen Petar Robic und dem stolzen Polizeioffizier. Sie saßen in dem großen Mannschaftswagen nebeneinander … hinten hockten zwischen zwei schweigsamen Milizionären Dr. Corell und Danica, Hand in Hand, in stummer
Weitere Kostenlose Bücher