Ein Sommer mit Danica
kommunistische Protestlieder singen, Hochschulprofessoren, die Terroristen beherbergen, Richter, die Angst haben, Recht zu sprechen, weil man ihnen mit Bomben droht … und Ärzte, die sich benehmen wie Ferkel! Es ist zum Kotzen!«
Das gleiche sagte Dr. Corell auf dem Landesarbeitsamt in Frankfurt. Er hatte sich bis zu dem Leiter der ›Zentralstelle zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer‹ vorgefragt und saß nun einem Herrn Früdmann gegenüber, einem kokstrockenen Mann, der keinerlei Humor hatte und zu jeder Mahlzeit ein halbes Pfund Paragraphen zu essen schien. Er hörte sich Dr. Corells Wunsch an und wiederholte dann bedächtig:
»Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Doktor: Sie haben aus Jugoslawien eine junge Dame mitgebracht und wollen sie als Sprechstundenhilfe anstellen. Die junge Dame ist eingereist ohne Arbeitserlaubnis und ohne Meldung an das Ausländerarbeitsamt, ohne Zuweisung durch die jugoslawischen Behörden und unter Umgehung des üblichen Anstellungsweges.«
»Ja –«, sagte Corell knapp. Er ahnte Komplikationen.
»Das geht nicht.« Herr Früdmann schlug ein dickes Buch auf, und Corell wußte, daß jetzt eine Lesung aller einschlägigen Paragraphen erfolgen würde. Er winkte ab und unterbrach Herrn Früdmann, der gerade mit dem Vortrag ansetzte. »Ich bin hier, um eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen.«
»Warum? Warum eine Ausnahme? Lieber Herr Doktor, – wenn jeder sich seine Arbeitskräfte – so hübsch sie auch sein mögen« – er lächelte maliziös – »einfach mitbringen würde, dann hätten wir ein Chaos und keinerlei Übersicht mehr. Es gibt sowieso schon tausende Illegale in Deutschland, und Sie wissen … wenn wir sie schnappen, schieben wir sie über die Grenze wieder ab.«
»Fräulein Robic wird ihre deutschen Steuern bezahlen … das ist doch wohl die Hauptsache für eine deutsche Behörde …«
Wieder eine Bemerkung, die den Nerv eines jeden deutschen Beamten trifft. Herr Früdmann versteinerte sichtlich. Er knallte das Gesetzbuch zu und lehnte sich zurück. Für ihn war Corell kein Begriff wie der Ärztekammer und dem Gesundheitsamt, aber er begann, um den Namen Corell ebenfalls einen roten Kreis zu ziehen.
»Was gehen uns die Steuern an«, sagte Herr Früdmann steif. »Wir sind dazu da, für den sozialen und arbeitsplatzmäßigen Schutz der Ausländer zu sorgen.«
»Bei mir braucht Fräulein Robic nicht in einem feuchten Zimmer zusammen mit zehn anderen zu schlafen –«, sagte Corell laut.
»Davon bin ich überzeugt.« Herr Früdmann grinste anzüglich. »Davon bin ich sogar sehr überzeugt, ohne die junge Dame zu kennen. – Ist sie ausgebildete Sprechstundenhilfe?«
»Nein.«
»Examinierte Krankenschwester?«
»Nein.«
»Was dann?«
»Sie hat in Piran Holzlöffel, Spitzendeckchen, Opanken, Kupferkännchen, geschnitzte Gondeln, Kopftücher und Ketten aus Apfelkernen verkauft.«
»Eine hervorragende Voraussetzung für die Krankenpflege.« Herr Früdmann starrte Dr. Corell kampfeslustig an. Dieser Arzt war nicht nur ein frecher Hund, er war auch ein Idiot. »Wie stellen Sie sich das vor?«
»Fräulein Robic übernehme ich in meine Praxis und lerne sie an …«
»Für ärztliche Handgriffe –«
»Es fehlt nicht mehr viel –«, sagte Corell völlig ruhig – »und ich schlage Ihnen eine 'runter! Fräulein Robic wird eine Schwesternschule besuchen, die Abendschule von Dr. Rolling. Sie spricht perfekt deutsch, ist gesund, importiert weder Läuse noch Flöhe nach Deutschland, bringt keinen Tripper mit und ist politisch uninteressiert. Was wollen Sie noch mehr …«
»Stellen Sie einen schriftlichen Antrag«, sagte Herr Früdmann, hochrot im Gesicht. Er hatte Mühe, nicht um sich zu schlagen. »Wir prüfen dann den Antrag.«
»Und in der Zwischenzeit?«
»Kann die junge Dame als Tourist betrachtet werden. Bis zu drei Monaten. Aber arbeiten gegen Entgelt darf sie in dieser Zeit nicht. Bekommen wir das heraus, ist ein Verfahren wegen Schwarzarbeit fällig. Guten Tag!«
»Es ist zum Kotzen!« sagte Dr. Corell und ging zur Tür. »Der Krieg hat 55 Millionen Menschen gekostet und Deutschland völlig zerstört. Was muß eigentlich noch geschehen, um Behörden menschlicher zu machen?«
»Besucher wie Sie nicht mehr anzuhören!« schrie ihm Herr Früdmann nach. Dann ließ er sich in seinen Schreibtischsessel fallen, nahm einen Rotstift und schrieb groß auf seine weiße Schreibtischunterlage: Dr. Alexander Corell!!!!! Mit fünf Ausrufezeichen.
Es war
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